18.09.13
Nach dem Frühstück gab es einen Schreck in der
Morgenstunde, Ratri erlag dem "Fatma-Effekt", rutschte auf der frisch
gewischten Schiefertreppe ab und schlug sich böse den Ellenbogen an. Es
blieb aber grundsätzlich alles heile und somit stand unserem letzten
Tag in Lhasa nichts mehr im Wege, schließlich wartete ja noch ein
absoluter Höhepunkt auf uns: Der Potala-Palast
Da Sonam heute andere Verpflichtungen hatte übergab er uns seinem
Kollegen Dorjee, ein Glücksfall, den dieser spricht doch deutlich
verständlicher Englisch und wir mussten uns nicht so konzentrieren,
gerade wenn durch andere Gruppenführungen ein hoher Geräuschpegel
herrschte.
Nach ca. 3km Fußmarsch und einem Stopp bei der China Post, in der sich
Geli und Mike von der Komplexität eines Postkartenversandes überzeugen
konnten, erreichten wir den einstigen Sitz des Dalai Lamas und blickten
etwas sorgenvoll die 170m hinauf, die uns nun bevorstanden. Der Potala
gliedert sich schon farblich in drei Bereiche: Weiß für die weltliche
Führung, rot für die religiöse und gelb für den Dalai Lama. Der Bau ist
wirklich prächtig und völlig zu Recht UNESCO-Weltkulturerbe, wir
staunen über seine Größe und Architektur.
Nach den üblichen Sicherheitskontrollen beginnen wir den Aufstieg und
sind überrascht wie leicht uns die Treppen im Vergleich zum ersten
Stock im Hotel vor einer Woche fallen, nach unserem Höhentraining der
letzten Tage springen wir wie die Kängurus - oder so ähnlich.
Wir begehen Raum für Raum, leider sind nicht alle 1000 Zimmer
zugänglich aber das hätte auch zu lange gedauert, denn unser Ticket
erlaubt uns nur 60min Besuch, sonst wird die Agentur, deren Gäste wir
sind, durch Ticketentzug bestraft (sozusagen der Umkehrfall des
Straßenlaufzettels). Wir sehen wunderschöne Mandalas (in diesem Fall
Modelle, nicht die aus Sand) von Tempeln, deren Symbolik uns
einleuchtet: Vier Eingänge stellvertretend für vier Weltreligionen
(scheinbar werden Christentum und Judentum als eines gesehen) führen
zum selben Inneren, also Ziel. Das ist typisch buddhistische Toleranz
und Weltanschauung.
Bei Ausbesserungsarbeiten am Boden sehen wir die dafür typische
tibetische Technik. Ein Brei aus Stein und Sand wird von Frauen
(normalerweise arbeiten Frauen und Männer bei dieser Tätigkeit
gemeinsam) mit schweren, an Stielen befestigten Tellern festgestampft
und anschließend poliert.
In den Räumen des Potala befinden sich auch etliche Stupa mit den
mumifizierten Körpern der Dalai Lamas, ebenso Statuen, Bücher und
Meditationsräume. Besonders beeindruckt haben uns die eher bescheidenen
Gemächer des Dalai Lamas, hier hat Heinrich Harrer den XIV. Gottkönig
Ende der 40er Jahre unterrichtet, kaum zu glauben, was sich seit damals
hier alles verändert hat. Ebenfalls beeindruckt haben uns auch eher
profane Details, zum einen das ausgeklügelte Lüftungssystem, das das
Innere des Palastes mit Frischluft versorgt, was angesichts der vielen
Räucherstäbchen auch dringend notwenig ist. Zum anderen die Mönche, die
wie schon in den anderen Klöstern in ihrer Meditation versunken,
Mantras aufsagend leicht nach vorne und hinten wippen und dabei mit
ihren Smartphones spielen...
Nach dem Besuch des Potala Palastes, für mich Platz zwei nach dem
Sakya-Kloster in diesem Urlaub was menschgemachte Attraktionen angeht,
stärkten wir uns mit einer einfachen Mahlzeit ("tibetisches Curry",
Yak, Reis, Kartoffeln, Rettich) und schlenderten dann nochmal durch
einen Supermarkt und etliche Gassen mit kleinen Läden. Unser Fundus an
Mitbringseln erweiterte sich um ein rustikales, chinesisches Kochmesser, eine CD,
sehr praktische, zerlegbare Esstäbchen für die Reise und eine
wunderbare Tiger-Handpuppe aus dem Kunsthandwerkladen von Behinderten
der Shambhala-Initiative.
Heute Abend haben wir uns als Abschiedsessen für 19Uhr einen
tibetischen "hot pot" im Steakhouse bestellt, also Brühenfondue mit
reichhaltigem Inhalt. Im
Steakhouse gab es auch das bis jetzt beste Tsang und mit einem Krug
dieses edlen Gebräus haben wir das Ende
des schönen Urlaubs begossen. Ein letztes Mal bummeln wir bei lauen
Temperaturen durch die Altstadt von Lhasa, der fast volle Mond
beleuchtet die Straßen denn morgen ist "moon festival", der Vollmond
zur Herbstmitte.
Morgen werden uns Lapa und Sonam um 13Uhr zum Flughafen fahren, dann
kommt der peinliche Moment der Trinkgeldübergabe, der jeden Urlaub
dieser Art etwas stressig macht. Die Empfehlung unserer (deutschen)
Reiseagentur lautet 100Y p.P. und Tag für Sonam, das macht satte 400€,
und das in einem Land, in dem Trinkgeld außerhalb der Tourismusbranche
unbekannt ist und der durchschnittliche, einfache Arbeiter etwa 12€/Tag
verdient. Zu viel? Was gibt man also um zum einen seiner Zufriedenheit
Ausdruck zu verleihen, zum anderen aber nicht mit utopischen Summen um
sich zu werfen? Wir wählen die Hälfte und hoffen, dass das irgendwie
"gut" ist.
Geli und Mike werden nach Shanghai fliegen, dort noch einen Tag
zusammen verbringen, dann geht es für Geli zurück nach Frankfurt und Mike startet
am Sonntag die Bamboo Road Fahrradtour.
Wir fliegen zunächst nach Peking, von dort nach Moskau und schließlich
weiter nach Frankfurt, leider eine Reise von 30 Stunden mit etwa 18
Stunden reiner Flugzeit.
Die Tage in Kolkata sind aus unserem Gedächtnis schon fast wieder
verschwunden, ebenso der schöne Abend mit Yang in Shanghai. Auch die Zugfahrt
durch China verblasst, zu sehr hat uns Tibet beeindruckt. Wir bedanken
uns bei unseren Begleitern Sonam, Lapa und Dorjee und wünschen ihnen und ihrer Heimat alles
Gute für die Zukunft!