08.-10.09.13

Nach 7 Stunden Schlaf um 6Uhr aus den Federn und nach angebotsbedingt leichtem Frühstück (war wohl etwas früh) mit dem Kleinbus zum Bahnhof. Mir war gestern Abend schon aufgefallen, dass die Mitarbeiter des Ibis auf ihrem Namensschild außer ihrem vermutlich echten Namen in chinesischen Zeichen noch einen Fantasienamen in lateinischen Buchstaben tragen. Mike hatte diese Erfahrung bei seiner Peking-Berlin-Rallye auch schon gemacht, ein chinesischer Reiseführer behauptete "Ackermann" zu heißen, tatsächlich konnte sich seinen echten Namen niemand merken. Gestern bediente uns also "Rosy" und heute morgen "Angel Baby", die auch den Kleinbus organisierte und tatkräftig beim Gepäck mithalf, was sie bei meiner 17kg-Tasche sicher bereute.

Wir besorgen noch ein paar Kleinigkeiten wie Wasser und Bananen und begeben uns dann zu unserem Bahnsteig. Pünktlich wird der Zugang zum Zug geöffnet und wir suchen unser Abteil, landen aber zunächst im falschen, da ich die Beschriftung falsch gedeutet habe. Entgegen ersten Befürchtungen bekommen wir unser Gepäck gut verstaut, das Vier-Personen-Abteil ist wirklich durchdacht konstruiert. Wir machen es uns gemütlich und rollen durch Chinas industriellen Osten, passieren Millionenstädte wie Wuxi oder Zhenjiang, die bei uns kein Mensch kennt.

Das Mittag- und Abendessen im Zug ist unerwartet lecker und der nette Kellner hilft uns bei der Auswahl der Speisen von der für uns unverständlichen Karte ("muhhh", "chicken"...). Beim Mittagessen überqueren wir den Yangtze, den "langen Strom", und trinken ein "yelllow river" Bier dazu (der Yangtze ist aber nicht der "gelbe Fluss"), natürlich ortsüblich bei Zimmertemperatur, aus dem Karton unter dem Tisch und nicht auf der Rechnung erscheinend.

Die Landschaft ist monothon und flach, es beginnt zu regnen und wird früh dunkel. Nach unserem Abendessen packen wir noch den Hirsch bei den Hörnern und genießen einige Schlucke The Dalmore in der Kabine, dann machen wir es uns gemütlich und lassen uns in den Schlaf schaukeln.

Nach 10 Stunden wunderbaren Schlummers wachen wir am Montag, den 9. um 9Uhr auf und staunen über eine komplett veränderte Landschaft. Wir haben bereits Tianshui passiert, es ist hügelig, fast bergig geworden, Sandsteinfarben dominieren. Das Flusstal und auch die Hänge zeigen Spuren von schweren Überschwemmungen und vor allem von Erosion. Wir fahren durch viele Tunnel. Der Himmel ist teils strahlend blau, ein Anblick, den Geli und Mike bei ihrer letzten China-Reise nicht einen Tag genießen durften.

Die Toiletten und der Waschraum sind nach wie vor einem benutzbaren Zustand, was nicht überall auf der Welt so wäre. Lediglich mit dem Abschließen der Türen haben die Einheimischen etwas Probleme, meist schiebt jemand von innen die Tür zu, wenn man aufs "Örtchen" gehen will. Und es gibt kein Toilettenpapier, das sollte man bei Zugfahrten auf jeden Fall reichlich dabei haben.

Ein Frühstück in unserem Sinne ist entweder nicht vorgesehen oder wir haben es verschlafen, so warten wir mit Bananen, Keksen und marinierten Eiern, die wir schon aus dem Flugzeug kennen und die uns gut schmecken, auf das Mittagessen. Als es soweit ist bedient eine andere Kellnerin, die ebenfalls ohne Berührungsängste und mit viel Lachen unsere Speisen aussucht (oder es ist das, was noch da ist). Dieses Mal habe wir leckere Leber (ja, das schreibe ich!), Fisch mit extrem vielen Gräten, Mu-Err-Pilze mit Hackfleisch und Bauchspeck vom Schwein, alles wie immer mit Suppe und Reis.

Um 13:45Uhr passieren wir Lanzhou, die letzte Megastadt vor der Endstation Xining. Auch hier staunen wir wieder über Hochhausansammlungen und riesige Straßen, chinesische Städte sind unglaublich groß. So auch Xining, das in unserer Karte eher klein aussieht. Vor Xining sehen wir die ersten Berge mit Schnee, so langsam arbeiten wir uns in die Höhe.

Am Bahnhof werden wir erwartet und bekommen unsere Tickets für den zweiten Teil der Zugfahrt sowie unsere Tibet permits. Der nette junge Mann hilft uns noch beim Einkaufen und setzt uns dann in den Wartebereich der ersten Klasse. Leider fährt der Zug erst um 22Uhr und dann ist das Restaurant geschlossen, also genießen wir ein typisch chinesisches Reiseessen: Die omnipräsente Instantnudelsuppe (Heißwasser gibt es überall), die uns mit ihrem Sechuan-Pfeffer ordentlich ins Schwitzen bringt, weiche Brötchen, die Mutigen eine eingeschweißte Wurst ("Wienerle") und dazu ein Bluelion Bier.

Der Zug der Qinghai-Tibet-Railway ("Himmelsbahn") sieht aus wie der Zug von Shanghai nach Xining, hat allerdings einige zusätzliche Funktionen. Die Abteile enthalten pro Bett einen Bildschirm, der allerding aus bleibt (vermutlich zum Glück), es gibt Knöpfe und Taster für die Temperatur, die allerdings ohne Funktion sind, und Sauerstoffanschlüsse, an die eine Maske angeschlossen werden kann, wenn die Höhe Probleme macht. Der Zug ist nicht druckkontrolliert, wie einige behauptet haben, wird also nicht wie im Flugzeug auf einem bestimmten Niveau gehalten (was für die Akklimatisierung auch völlig kontraproduktiv wäre). Wir füllen noch eine medizinische Erklärung aus, dass wir gesund sind und die Reise überstehen werden (keine Ahnung ob das so sein wird), dann gehen wir früh schlafen.

Am 10.9. wachen wir um 8Uhr auf und blicken in eine unwirtliche Mondlandschaft mit vielen Militärfahrzeugen und vereinzelten Panzern. Wir sind schon recht hoch und die Schneegrenze ist nicht weit entfernt. Wir gehen frühstücken, Englisch spricht wieder niemand aber es klappt gut. Es gibt Baozi, Sojasprossen mit Erdnüssen, Kraut mit Knoblauch, Sellerie mit mariniertem Kraut und dazu Hirsesuppe.

Das Atmen ist trotz der Höhe kein Problem, ich merke lediglich einen heftigen Atemimpuls bei Atempausen, wie ich sie mir in der Entspannung durch das Yoga angewöhnt habe. Plötzlich schnappt man nach Luft und versteht nicht warum. Kontinuierlicher Atemfluss hilft...

Um 10Uhr haben wir die Schneegrenze erreicht, teils schneit es auch. Wir sehen Esel, gazellen- oder antilopenartige Tiere und einzelne Vögel auf dem riesigen, braun-weißen Plateau. Wir können leider nicht feststellen wo wir sind und ich ärgere mich keine GPS-App auf dem Smartphone installiert zu haben.

Zur "Himmelsbahn" noch ein paar Rekorde:
Insgesamt also ein technisches Wunderwerk und starkes politisches statement.

Durch Abgleich der Karte mit dem Straßen- und Bahntrassenverlauf können wir dann doch den Standort feststellen und den Reisefortschritt auf der Karte einzeichnen. Wir sehen unsere erste Yak-Herde und Schafe, die Erde um uns verfärbt sich plötzlich rot und wir passieren die erste Brücke am noch jungen Yangtse. Hier, auf dem Dach der Welt, entspringen und fließen Giganten wie Yangtse, Brahmaputra und Mekong.

Zum Essen sollen wir um 13Uhr kommen, hier ist es schon etwas teurer für uns, 100Y (12€) pro Person ohne Bier, sonst waren es 55Y mit Bier. Aber wir bekommen sechs Gerichte plus Reis und Suppe, darunter Rinderherz (vermuten wir), einen ganzen Fisch mit vielen Gräten, Bohnen mit Hackfleisch, Bauchfleisch vom Schwein und Gemüse. War wohl die Touristen-pauschal-Luxus-Verköstigung.

Von Schnee jetzt keine Spur mehr, es ist zu trocken. Immer weiter kämpft sich der Zug das Plateau hinauf und um 14:50Uhr erreichen wir den Tsanggula-Pass mit 5068m. Jetzt sind wir am höchsten Punkt und damit natürlich an einer Wasserscheide, die Flüsse fließen nun nach Süden. Mit der Höhe habe ich keine Probleme, bekomme jedoch leichte Kopfschmerzen, da im Zug entgegen der Vorschriften immer wieder geraucht wird und sich die Abgase durch die Klimaanlage überallhin verteilen. Leider achten auch die zahlreichen Angestellten nicht auf die Einhaltung der Vorschrift sondern genehmigen sich eher selber in einer Kabine oder der Küche eine Zigarette. Das ist leider ein Manko bei Reisen in China, selbst im Flugzeug der China Eastern roch es während des Fluges plötzlich nach Zigerettenqualm. Um uns herum treten jetzt auch mehr und mehr Fälle von Höhenkrankheit auf, Symptome wie Übelkeit, Farbverlust im Gesicht, Übergeben und Kopfschmerzen sind typisch.

Um 16Uhr erreichen wir Ando und damit geht es bergab, nun sind wir schon auf 4700m und noch weitere 1000 Höhenmeter werden wir bis Lhasa hinunter fahren. Hinter Ando liegt der große und schöne Tso Nak See, an dem wir unmittelbar entlang fahren.

Zum Abendessen das gewohnte 100Y-Touristen-Menue, dieses Mal Huhn mit Paprika, warmes, mariniertes Kraut, Scheinefleischscheiben, Hackbällchen mit Gurkengemüse, Zwiebeln mit Hackfleisch und Auberginengemüse mit Tomaten. Es ist erstaunlich wie viel man wie oft von dieser unglaublich leckeren, leichten Küche essen kann.

Beim Essen ging die Sonne unter und unsere mehr als 60stündige Zugfahrt von der Ostküste Chinas auf das Dach der Welt neigt sich dem Ende entgegen. Unerwartet kurweilig und erwartet lustig war es!

Um 21:30Uhr kommen wir in Lhasa an und werden durch die Millionenstadt vorbei am beleuchteten, mächtigen Potala-Palast zum House of Shambhala gefahren, unserer Bleibe für drei Nächte. Ein bezaubernder tibetischer Traum!

Aber dazu morgen mehr...


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