Eine Reise an eines der vielen Enden der Welt
(Martin, Oktober 2003)

Je näher der Termin des Aufbruchs rückt um so klarer wird uns, dass es keinen Sinn machen würde, mit den Moppeds zu fahren. Ratris Schulter macht seit einer Impfung im Juni Probleme und wir wollen zwei Dinge nicht riskieren. Zum ersten, mitten im Nirgendwo zu stranden, weil die Schmerzen zu groß werden. Zum zweiten, aus der Geschichte etwas Chronisches zu züchten. Also beschliessen wir irgendwann Ende August das zunächst Unaussprechliche und Undenkbare, the thing that should not be: El Bandido und El Viento libre bleiben im Stall und wir fahren mit dem Caddy!

Schnell sehen wir aber auch die Vorteile und so wandert doch das eine oder andere Stückchen Luxus auf die Ladefläche, ein Kühlschrank zum Beispiel, der immer kaltes Bier und wohltemperierten Sidra verspricht, Lebensmittel frisch hält und so schöne Dinge wie Butter ermöglicht. Auch die Reisekasse wird wohl stark entlastet werden, kostet ein Auto doch bei den Autobahngebühren oder auf dem Campingplatz weniger als zwei Moppeds, außerdem stehen 5-6l Diesel gegen 10-12l Benzin auf 100km.

Am 7. September geht es dann los, irgendwann mittags, blos keine Hektik. Wir fahren zunächst durch die Schweiz nach Frankreich. Kurz vor dem Lac d' Annecy beschliessen wir, dort zu zelten, allerdings regnet es bald wie aus Eimern. Unsere Hoffnung, im Rhonetal wird es bessser werden, zerstreut sich leider auch, und so landen wir bei kaum noch fahrbaren Verhältnissen im Ibis in Valence. Das Plastik-Hotel ist nicht eben nach unserem Geschmack aber was soll man machen. Neuer Tag, neues Glück, ab nach Südwesten bis zu den Pyrenäen, nachdem wir in Pierrelatte noch die "la ferme aux crocodiles" besucht haben, eine wirklich sehr schöne Panzerechsen-Farm, auch energetisch pfiffig, da gespeist mit der Abwärme des nahen AKWs. Auf der französischen Seite der Pyrenäen, in Arles-sur-Tech, schlagen wir dann unser Lager auf, es regnet netterweise erst wieder nach dem Essen kochen. Am nächsten Morgen weckt uns etwas Sonne und lockt uns aus dem Zelt, guter Trick, 10 Minuten später verregnet der Tee und wir tuckern einfach mal los zu einer ersten Rundfahrt. Wir wechseln auf die spanische Seite und finden dort ein wunderbares, einfaches aber leckeres Willkommens-Essen in Molló.

Tipp! Restaurant "Can Crispin" in Molló, vom Pass kommend am Orstanfang noch vor dem Kreisel rechts.

Nach Entremeses (kalte Vorspeisenplatte), Kaninchen und Butifarra, einer katalanischen Wurst mit Bohnen, setzen wir die Fahrt fort, sehen uns das schöne aber touristisch heimgesuchte Besalú an und kommen schließlich nach Figueres, wo als Höhepunkt des Tages das Dalí-Museum wartet. Obwohl die Warteschlange unter der Woche im September recht kurz ist, befinden wir das Museum aber trotzdem für zu gut besuchtl, es herrscht drangvolle Enge und der Genuss bleibt ein wenig auf der Strecke. Gut ist es aber trotzdem! Zurück zum Campingplatz geht es an der Costa Brava entlang, die sich auch recht wild gebärdet, da der Fallwind aus den Bergen bläst, der Tramontana.

Nach sehr windiger Nacht machen wir uns am nächsten Morgen endgültig nach Spanien auf, erkunden aber zunächst die Georges du Fou, die angeblich engste begehbare Schlucht der Welt. Ein stählerner Steeg führt dort 1,5km in die zum Teil nur 1m breite Schlucht, nichts für Reisende mit Platzangst also. Über Ripoll und Berga führt uns der Weg südlich der Serra de Cadí entlang und dann über Tremp nach Áger. Sechs Stunden solche wunderschönen, kurvigen Straßen zu befahren steckt einem ganz schön in den Knochen, auch oder gerade mit dem Auto. Zumal hinter jeder Kurve eine kleine oder auch große Überraschung in Form von Kühen, Schafen, Ziegen, Eseln, Pferden, kurvenschneidenden Autos oder gigantischen Holztransportern lauern kann. Der Abend klingt am Holzkohlegrill bei Gambas und sonstigem Grillbaren aus, es ist wunderbar ruhig bis, tja, wunderbar ruhig bis etwa 22Uhr. Dann fallen sie ein, in Horden, besetzen ihre Wohnwagen, bauen neue Vorzelte auf, entladen Kühlschränke, Fernseher, Kinderwagen, stellen Grills auf, montieren Antennen. Sie, das sind scheinbar 90% der Einwohner Barcelonas, die ein uns nicht bekanntes langes Wochenende aufgrund des katalanischen Nationalfeiertags nutzen, um auszuspannen oder was der Spanier dafür hält.

Den 11. September, dieses Datum jagt mir jedes Mal Schauer über den Rücken, arme Katalanen, dass ihr Feiertag derart besudelt wurde, verbringen wir mit Faulenzen. Wir beobachten die erfolglosen Versuche der Nachbarin, den Nachwuchs wenigstens mal ein paar Minuten vom lautstarken Kundtun von Unmut abzubringen und die sehr erfolgreichen Versuche des Nachbarn, einen Fisch zu grillen und dabei eine ca. 2km hohe Rauchsäule in den makellos blauen Himmel zu pusten. Dann das unverhoffte Abenteuer: Essen gehen! Das beste Restaurant des Ortes sei das auf dem Zeltplatz, heisst es, und so begeben wir uns hungrig und frohen Mutes dorthin. Der Speiseraum ist noch dunkel, also Bar, nur interessiert sich niemand für uns. Am Nachbartisch werden Häppchen und Getränke gereicht, wir sitzen auf dem Trockenen. Dank energischen Einsatzes ergattern wir zwei Flaschen Bier, auf meine Frage nach Essen heisst es nur es dauere noch. 20 Minuten später teilt uns der Barmann mit es gebe jetzt Essen, und zwar das, was auf der Karte auf dem Tisch stehe. Dort stehen zahlreiche Gerichte wie Calamares oder Hamburger, allesamt mit Pommes und Ei, sogenannte platos combinados oder auch "Fressen nach Bildern" genannt. Angeblich gibt es nicht anderes, warum im Speisesaal gerade Vorspeisen serviert werden wissen nur die katalanischen Götter. Also ab in den Ort, Bar Restaurant Torres sieht auch sehr gemütlich aus. Eine ältere Dame fragt uns nach unserem Begehr, ich bestelle erstmal zwei Bier und frage, ob es etwas zum Abendessen gibt. Die Antwort ist "ja, es gibt etwas". Dann passiert nichts. Etwas unsicher, ob wir nun ungefragt das Tagesmenü bekommen oder wie es nun weiter geht nehme ich meinen ganzen Mut zusammen, gehe zur Theke und frage nach der Karte. Die Dame lächelt mich an und sagt "nein", außerdem deutet sie auf Bilder hinter sich, bocadillos (belegte Baguettes) aller Art, teilweise sogar mit Pommes und Ei. Hurra! "Mehr nicht?", frage ich, "gibt es denn kein Restaurant in Áger?". "Klar", sagt sie, "auf dem Campingplatz!" Mit dieser Frage habe ich aber auch ihren Stolz verletzt, Ehrgeiz geweckt oder beides. Sie fragt, was ich denn möchte und ich zähle auf, nach was mir der Sinn steht: Pan tomate con ajo, tortilla con queso, jamon, vino tinto (Tomatenbrot mit Knoblauch, Tortilla mit Käse, Schinken und Rotwein). Unser Wunsch geht in Erfüllung und wir speisen hervorragend! Etwas Landessprache ist manchmal ganz hilfreich, allerdings versteht unsere Gastgeberin meinen Wunsch nach einem Magno (spanischer Weinbrand) dann doch falsch und möchte wissen, ob ich mein Magnum mit Mandel oder Schoko möchte.

Ob dieser Erlebnisse fahren wir tags darauf lieber wieder nach Tremp zum Einkaufen. Anschliessend nehme ich noch ein erfrischendes Bad im Stausee, dann neigt sich der Tag auch schon wieder dem Ende zu. Heute gibt es ohne Probleme Gambas, Bistec (Rindfleisch, sehr dünn geschnitten) und eine ca. 1/2m lange, gut gewürzte Wurst. Am 13. September geht es wie geplant weiter nachWesten, und zwar zum Ordesa Nationalpark nach Torla. Die Straßen teilweise urig und eng, teilweise aber erschreckend ausgebaut, wahrscheinlich um dem Strom erholungssüchtiger Großstädter die Anreise so kommod wie möglich zu gestalten. Da Torla weiter in den Bergen liegt haben die meisten der Barcelonesen den weiten Weg gescheut und es ist schön leer auf dem Campingplatz. Außer einer Gruppe junger Spanier aus Valencia, die uns zunächst mit gar nicht mal so schlechter Musik berieselt und dann, angesichts der fast leeren Autobatterie, mit Standgas-Motorenbrummeln. Mir wäre das Rauschen des Wasserfalls im Naturpark eigentlich lieber gewesen, nach einer Stunde Autogeräusch bin ich von Handgreiflichkeitsphantasien nicht mehr weit entfernt und bereits damit beschäftigt mir vorzustellen, wie ich den Autoschlüssel abziehe und in den Fluss werfe, dann verstummt auch dieser Alptraum. Der Ort Torla liegt einige Meter höher als der Campingplatz, ist (für die Gegend) ziemlich teuer und von Busladungen Touristen überschwemmt, die jeden erdenklichen Blödsinn kaufen, nur weil "Ordesa" draufsteht. Wir besorgen uns eine Wanderkarte und lassen den Abend früh ausklingen, denn am nächsten Tag ist Wandertag!

Um grausame 4:40Uhr klingelt der Wecker, auf zum Busparkplatz, denn mit dem eigenen Auto darf man nicht zum Parkeingang, was sehr sinnvoll ist. Ausgerüstet mit unseren Trinkrucksäcken, Proviant und Wanderstöcken fahren wir mit dem ersten Bus um 6Uhr zum Park, den wir um 6:20Uhr bei Dunkelheit und silbrigem Mondlicht betreten. Völlig alleine, die anderen Gäste, scheinbar Kletterer, nehmen natürlich andere Wege, wandern wir am Rio Ara entlang, an Wasserfällen und durch Buchenwälder. Dazu glitzert der fast volle Mond - wir sind begeistert ob der Stimmung, wie im "der Herr der Ringe", denken wir beide!

Der angeblich steile Anstieg ist ein Kinderspiel und gegen Mittag sind wir am Cola de Caballo (Pferdeschwanz), dem letzten Wasserfall am Ende des Circo de Soaso. Wir beschließen den Rundweg zu laufen, der auf der anderen Seite der Schlucht zurückführt, laut Reiseführer immer leicht bergab. Seltsamer Weise geht es immer nur bergauf und schon bald sehen wir den Weg vom Morgen etwa 600m unter uns auf der anderen Seite des Rio Ara, falls wir uns trauen die steil abfallende, teilweise überhängende Felskante herabzusehen. Kurz vor Ende der Wanderung fällt der Groschen, wir sind anders herum als im Reiseführer beschrieben gelaufen, daher immer leicht bergauf und nun noch steil bergab. Der 650m Abstieg in sehr steilen und mit Geröll gespickten Serpentinen lässt uns dann jeden Muskel, die Knie und Hüften spüren. Gegen 15:30Uhr, nach 20km und 9 Stunden sind wir mausetot am Parkplatz und stellen fest, dass der Weg auf den Wanderkarten vor Ort als "alto", also schwierig eingezeichnet ist. Wieso das ganze von einem Herrn Schuh, seines Zeichens Pyrenäenverklärer und Reiseführer-Autor, als "von jedermann problemlos machbar" beschrieben ist, keine Ahnung, unseren Abstieg hochlaufen möchte ich auf jeden Fall nicht. Da Herr Schuh allerdings auch meint, der Ordesa Nationalpark sei der schönste Ort Europas, muss man ihm wohl eine gewisse Subjektivität zugestehen. Zugegeben, der Park ist wunderschön, aber  Europa ist groß und hat viel zu bieten, da wäre ich mit derartigen Superlativen sehr vorsichtig. Etwas lädiert wackeln wir diesen Abend sehr glücklich noch einmal nach Torla und geniessen ein verdientes menu del dia (Tagesmenü, meist schmackhafte, einfache Kost zu moderaten Preisen), qualitativ zwar Mittelmaß aber situationsbedingt köstlich. Wer uns allerdings diesen Abend zum Zeltplatz hat zurücklaufen sehen muss gedacht haben, zwei 100jährige bahnen sich ihren Weg. Das letzte Mal, dass wir derartige Bewegungsmuster an den Tag gelegt haben, war glaube ich nach einer Schnupperreitstunde...

Der nächste Tag gehört der Rehabilitation, wir schaffen es aber immerhin mit dem Auto nach Broto und essen dort ein sehr gutes menu del dia, das mit gratiniertem Spargel mit Aioli, Pilz-Pastete, Grillflisch vom Rind und einem cordero Broto estofado, einer Art Lammeintopf nach Art von Broto besticht. Das wahrscheinlich beste menu del dia der Reise!

Am 16. September geht es weiter, zunächt eine Rundfahrt durch die Schlucht des Rio Vellos etwas südöstlich von Torla, die sehr, sehr lohnenswert ist. Wir beobachten ganze Schwärme großer Greifvögel, wissen aber leider nicht, was für welche.

Tipp! Rundfahrt durch das Tal des Rio Vellos, Einbahnstraße von Ost nach West durch eine atemberaubende Schlucht.

Dann weiter über Jaca, das Valle del Rocal (Käse!) und das Valle de Salazar auf den Campingplatz Rio Urrobi südlich von Auritz/Burguete (die baskischen Namen sind völlig anders als die "spanischen"). Der Platz ist leer und fein ausgestattet und wir sehen die ersten Pilger auf Fahrrädern, denn hier führt der Camino de Santiago, der Jakobsweg, vorbei. Abends gehen wir in Auritz essen, ein schönes Dorf übrigens, alt aber in tadellosem Zustand, und bekommen die deftige Kost Navarras zu schmecken (Bohnen mit Chorizo, Forelle Navarra Art, also mit Schinken, ein Lamm-Paprika-Topf). In einem Hotel hätte es auch weitaus rafiniertere Gerichte gegeben, allerdings empfängt man uns dort mit den Worten man könne uns jetzt nicht bekochen und es gäbe noch andere Restaurants im Ort, wir könnten ja dort hingehen. O.k.! Wieder am Campingplatz angekommen müssen wir feststellen, dass es Ende September auf fast 1000m in den Pyrenäen doch recht frisch wird. Die Schlafsäcke, allesamt Algerien-getestet, haben damit aber keine Probleme.

Der nächste Tag gehört einer Wanderung auf den Lindux, einen schönen kleinen Berg, gemütlich durch eine leichte Wanderung zu erreichen. Im Wanderführer als "der Gipfel der Gänsegeier" beschrieben bietet er eine schöne Aussicht und tatsächlich viele Greifvögel, die allerdings zumindest an diesem Tag die anderen Gipfel vorziehen. Richtig spannend wird der Spaziergang aber durch die völlig kryptische Beschreibung im "DuMont aktiv - Wandern in den Pyrenäen". Wer damit und ohne GPS oder Einheimische zu fragen den Weg zurück nach Roncesvalles findet darf schon ein wenig stolz auf sich sein! Kurz vor Roncesvalles liegt auf dieser Wanderung der Ibaneta-Pass, an dem Ritter Roland in grauer Vorzeit ins Gras gebissen hat. Das kleine Denkmal ist etwas unspektakulär, war aber eventuell auch nicht ganz vollständig. Damit auch der Caddy noch etwas Bewegung bekommt fahren wir dann auf den Ortzantzurieta, nichts für Sportwagen aber alle Schlaglöcher sind vergessen, wenn man den Rundumblick genießen kann. Lustig auch das kleine Raketenmodell, das Richtung Frankreich zeigt. Eventuell auch ein Relikt aus anderen Tagen, das zu demontieren vergessen wurde, denken wir, dafür ist aber der Lack zu frisch.

Am 18. September ist dann die erste Stadtbesichtigung dran - Iruna/Pamplona. Etwas orientierungslos erreichen wir schließlich doch den uns empfohlenen Parkplatz und finden im Hostal Navarra ein sauberes und preiswertes Zimmer in zentraler Lage. Nach Stadtrundgang nebst Besuch des Cafes "Iruna", in dem schon Hemmingway schwofte, und Besichtigung der Kathedrale treffen wir uns dann mit Iranzu und Gabriel, Bekannte von Ratri aus Göttinger Zeit. Mit Einheimischen ist der Tapas-Abend (Tapas sind kleine, in Bars gereichte Häppchen, im Norden auch Pintchos oder Pintxos genannt) natürlich nochmal so schön, ist man doch zum einen von der lästigen Kommunikation entbunden und bekommt zudem noch alle "insider" Kneipen gezeigt. Schöner Abend! Danke Ihr beiden!!!

Weiter nach Donostia/San Sebastian, der Stadt, in der ich geboren wurde. Der Verkehr ist verglichsweise harmlos und ruckzuck sind wir auf dem Campingplatz am Monte Igueldo. Wir fahren mit dem Bus in die Stadt, laufen durch die Bucht und ich atme ein wenig die Luft der Vergangenheit, keine richtig konkreten Erinnerungen, aber irgendwie sehr speziell. Der Hafen ist ein Schatten seiner selbst, aus den vielen Fischerbooten sind Sportboote und aus den Fischerhäusern Tauchschulen geworden. Keine Kisten mit Fisch und Meeresfrüchten werden an Land gebracht und versteigert, keine Frauen, die Netze flicken. Wir besuchen das Aquarium, das erst kürzlich renoviert und erweitert wurde, und eine wahre Pracht ist. Höhepunkt sicher das große Hai- und Rochenbecken, durch das ein Glastunnel führt. Schön aber auch die Ausstellungen über Schiffahrt und den Hafen von San Sebastian. Hier wird ein Film vom Anfang der 70er gezeigt, in dem glorreiche Fischer Anchovis (Sardellen) fischen, und in diesem Film ist alles so, wie in meiner Erinnerung an die Erzählungen meiner Eltern und auf alten Fotos. Die Zeiten ändern sich. Als etwas störend empfinde ich den aus allen Ecken triefende baskische Nationalismus, eine Ausstellung über "baskische Muscheln und Schnecken" ist schon ein wenig sonderbar. Hoffentlich wissen die Muscheln auch, dass sie sich politisch korrekt zu verhalten und asturische Gewässer zu meiden haben! Nach einer Rundfahrt mit dem Txu-Txu, einer kleinen Straßenbahn für Touristen, nehmen wir die legendäre Altstadt und ihre Pintxos in Angriff. Ein wunderbarer Abend, allerdings haben derartig rafinierte und komponierte, teilweise preisgekrönte Köstlichkeiten ihre Preis.

Am nächsten Tag ruft der Weg nach Westen und wir fahren durch Kantabrien, das wegen geschlossener Zeltplätze nicht zum Bleiben einläd, bis nach Llanes in Asturien. Der 21. September ist dann wieder ein Ruhetag, den wir mit einer parillada de marisco, einer Meeresfrüchteplatte, und einem gut gekühlten vino rosado (Rosé) veredeln. Dann geht es in die Picos de Europa, und zwar über winzige Nebenstrassen, auf denen, falls sich zwei Autos begegnen, eines bis zur nächsten Verbreiterung zurückfahren muss. Nach einem wunderbaren Mittagsessen in puente nuevo, bei dem wir auch die berühmte asturische Fabada, Bohneneintopf mit Schweinefleisch und Chorizo, essen, fahren wir nach Covadonga und holen uns den ersten Schock ab.

Tipp! Restaurant in puente nuevo, eigentlich nicht zu finden, an der Straße von Posada de Llanes nach Südwesten prallel zum Ríu Beón, hinter Vibanu. Der Ort ist nur eine Brücke mit dem einen Restaurant, das auch Laden ist, und noch nicht mal auf der Wanderkarte Picos de Europa verzeichnet. Viel Glück! Wer es findet sollte als Bestätigung auf der gelben Markise der Terrasse Katzen liegen sehen und nicht verpassen, eine fabada asturiana zu essen!

Der angebliche Ausgangspunkt der reconquista, also der Vertreibung der Mauren, ist lediglich Ausgangspunkt zur Vertreibung des guten Geschmacks, soviel Kitsch und Ramsch wechselt den Besitzer. Die Fahrt zu den malerischen Bergseen Enol und Ercina ist der zweite Schock. Trotz Wochentag und Nachsaison quälen sich Busse jeder Größe stinkend und Stoßstange an Stoßstange die Straße herauf, oben statt heiler Welt Abgasgestank und ein Wald aus Verbotsschildern. Vorbei die Zeit, in der laut Reiseführer auf Nachfrage bei den Forstbeamten problemlos wild gezeltet werden konnte. Blos weg hier!

In Arena de Cabrales beziehen wir einen Zeltplatz, der mit den Worten "Willkommen in der Natur" begrüßt. Leider liegt "Natur" hier an einer recht viel befahrenen Straße, dafür wird der Lärm im Waschhäuschen mit sehr angenehmer Musik gedämpft. Wer immer schon mal in Spanien in stilvollem Ambiente bei Strauß' "an der schönen blauen Donau" duschen wollte - Camping Naranjo de Bulnes ist der Tipp! Abends probieren wir eine Flasche Sidra, das Nationalgetränk der Asturier, das in hohem Bogen aus möglichst großer Höhe ins Glas platschen muss, und dann in einem Schluck noch schäumend getrunken wird. Bis auf einen kleinen Rest, den man zum Spülen des Glases benutzt, dann wird wieder eingeschenkt, und der nächste ist dran. Das Zeug ist allerdings, selbst verglichen mit Äppelwoi, ganz schön heftig und hat mit Cidre fast nichts gemein. Dazu gab es Queso de Cabrales, den berühmten, in Kalksteinhöhlen gereiften Schimmelkäse der Region. Auch dazu ist zu sagen, dass zumindest die fortgeschritten gealterte Variante einen sehr speziellen Geschmack erfordert.

Der 23. September ist wieder Wandertag, wir fahren nach Poncebos und laufen von dort durch die Schlucht des Rio Cares nach Caín und natürlich auch wieder zurück. 25km schönster Weg, teilweise in schwindelerregender Höhe in den Felswänden verlaufend, aber breit und weder rutschig noch sonstwie zum stolpern einladend. Die Schlucht ist wirklich atemberaubend schön und auch hier kann man viele große Greifvögel beobachten. Nach etwa 7,5 Stunden sind wir zurück am Parkplatz und fahren wohlig erschöpft auf unseren Campingplatz in der Natur. Hier koche ich meine Variante der Fabada aus allem möglichen, was die letzten Tage übrig geblieben ist, Knoblauch, Zwiebeln, Chorizo und garbanzos (Kichererbsen) - köstlich, sagt zumindest Ratri (nie über das eigene Essen urteilen)!

Am folgenden Tag beginnen wir die Südumfahrung der Picos über Potes (viel gerühmt, nur Touristen), dann in das Seitental bis Fuente Dé (bekannt wegen einer Bergbahn, Zustände wie an Zugspitze und Nebelhorn zu Pfingsten bei Kaiserwetter), schnell wieder heraus und weiter über den Puerto de San Glorio (ab hier lohnt sichs!). Richtung Posada de Valdeón liegt Sta Marina de Valdeón und dort gibt es einen herrlichen Campingplatz, zumindest in der Nachsaison ist er das. Wunderbar gelegen, tolle Aussicht auf das mittlere und westliche Massiv der Picos, ein rauschender Bach, fast wie zuhause, und leer, ganze drei Parteien waren da und die Rezeption war oben im Dorf in einem Hostal. Weniger toll dann leider das Abendessen in Posada de Valdeón.

Anti-Tipp! Restaurant der Pensión Begona in Posada de Valdeón. In unserem Reiseführer als Tipp hervorgehoben gab es sich ganz und gar ungastlich. Da wir keine Gäste des Hauses waren wurde uns sofort mitgeteilt man müsse sich zunächst um die Gäste kümmern, die auch dort wohnen. Nach etwa 30 Minuten bekamen wir dann die Schüssel mit lauwarmer Suppe, die die Gäste des Hauses übrig gelassen hatten. Anschließend eine Art Hackfleischgericht und maßlos überwürzte Paprikahähnchen. Gipfel der Unverschämtheit war, unsere Bestellung nach zwei Café mit der Bemerkung abzulehnen, den gäbe es nur für Gäste des Hauses. 10€ verschwendet, Abend verdorben!

Auf dem Campingplatz versöhnt uns dann gratis ein prächtiger Sternenhimmel und das Rauschen des Baches, die Picos sind sicherlich eine Reise wert, aber leider auch Opfer sehr konzentrierten Tourismus' und ein wenig drängt sich auch der Verdacht auf, dass mit der "geschützten Herkunftsbezeichnung" Picos de Europa versehene Produkte und Dienstleistungen bezüglich des Preis-Leistungs-Verhältnisses ab und an aus dem Gleichgewicht geraten.

Ab jetzt geht es in großen Schritten nach Westen. Gestärkt durch Käse aus Posada de Valdeón, der sehr viel besser als sein Verwandter aus Cabrales ist, beendeten wir unsere Picos Umfahrung und setzen den Weg über Oviedo auf einer gut ausgebauten Landstraße fort. Am äußersten Westrand Asturiens, in einem Ort namens Taramundi, bekannt für seine Schmiedekunst, erwerben wir schöne Küchenmesser und suchen uns dann in den lieblichen, bewaldeten Hügeln der Oscos in einem Ort namens Sta Eulalia de Oscos ein Hostal, das wieder einen Tipp wert ist.

Tipp! Das Hotel Rural Casa Diego in Sta Eulalia de Oscos vermietet preiswerte, sehr schöne Zimmer und bietet sehr leckeres Essen im angeschlossenen Restaurante. Nicht verpassen sollte man die ruvueltos (Rühreier) mit grünen Bohnen und Schinken oder Gambas und Pilzen sowie das Steak mit Sauce aus Cabrales-Käse. Köstlich und mit sehr aufmerksamer und freundlicher Bedienung!

Tags darauf fahren wir über Lugo nach A Coruna/La Coruna (auch Galizisch besteht, wie Katalanisch, Baskisch und Asturisch auf eigene Schreibweisen) und suchen uns dort ein Hotel und eine erschwingliche Parkmöglichkeit, das Auto kostet dabei in einer Tiefgarage schnell mal soviel wie eine Person im Doppelzimmer, steht dann aber sicher. Viele Hotels haben Dauerparkplätze reserviert und geben die zu sehr ermäßigten Preisen an ihre Gäste weiter, so auch bei uns. Nach kurzer Orientierung besuchen wir das Museum Domus, das sich mit dem Menschen beschäftigt, und alles Erdenkliche rund um den homo sapiens sapiens zeigt. Von Entwicklung über Sinnesorgane bis Genetik und Ernährung ist alles interaktiv und museumspädagogisch sehr gut aufbereitet zu erfahren, vorausgesetzt man kann Spanisch (castillon) oder Galizisch lesen. Aber auch ohne des geschriebenen Wortes übermäßig mächtig zu sein war es für uns sehr interessant. Interessant auch der Eintrittspreis, gerade einmal 1€ kostet der Besuch. Abends haben wir uns die Freßgassen westlich des Platzes der Maria Pita genauer angesehen und uns an zahllosen tapas und raciones (große Portion tapa) schadlos gehalten. Speise Nummer eins ist hier der pulpo (Krake) und zwar, wen wunderts, galicischer Art, also kalt mit Olivenöl und Paprika serviert und am besten mit einem Albirino (Weißwein der Region) genossen. Außerdem gibt es auch hier noch einen Tipp, der seinesgleichen sucht.

Tipp! In A Coruna in der Freßgasse westlich des Platzes der Maria Pita das Lokal "El Rey del Jamon" (der König des Schinkens). Man kann hier die edlen Speisen sowohl zum Mitnehmen kaufen, also auch bei einem Getränk verzehren (bocadillo oder racion). Der Himmel hängt voller Schinken und dererlei gibt es viele verschiedene. Ganz oben auf der Karte stehen, noch über dem Jamon Serrano, die Jamon Ibericos. Eine racion Iberico de Bellota gönnen wir uns - ein Traum, eine Symphonie! Das Kilo liegt allerdings bei 120€ und darüber stehen noch zwei reservas...

Der zweite Tag in A Coruna gehört weitestgehend dem Aquarium, das für sich in Anspruch nimmt, das größte der Welt zu sein. Auch wenn das nicht ganz stimmen sollte und so manches Versprechen des Reiseführers (500 Kraken und Thunfische, Kraken gab es eine Handvoll, Thunfische keine...) nicht ganz eingelöst wird, ist es trotzdem ganz sicher einen Besuch wert. Die Becken groß und schön, die Tiere prächtig, die Aufmachung wie im Domus modern, interaktiv und spielerisch. Absoluter Höhepunkt die Nautilus, Kapitän Nemos U-Boot. Der Besucher steigt herab und findet sich in einem riesigen Becken, abgeteilt vom Meer wieder. Ein rundum Panorama-Blick in die Unterwasserwelt mit vielen Fischen aller Art, Haie und Rochen eingeschlossen, und das in sehr stilvoller Atmosphäre mit Kapitänsschreibtisch, Messingleuchtern, Ledersofas und klassischer Musik. Toll!!! Weniger beeindruckend die offizielle Wanderexpo der Titanic-Expedition 2000, Ami-Kitsch und -Hype mit einem von der Titanic geborgenen und zertifizierten Kohlestück als Höhepunkt der Lächerlichkeit. Nur was für Fans der gleichnamigen Schmonzette, die wenigen handfesten Infos rechtfertigen den Eintrittspreis nicht. Erschütternd und beklemmend dagegen die Foto-Ausstellung zum Tankerunglück der Prestige und den Aufräumarbeiten - das Symbol der Solidarität und des Widerstandes, eine blau-schwarze Fahne mit der Aufschrift "nunca maís" (niemals wieder) ist auch heute noch in vielen Geschäften und an Hauswänden zu sehen. Gut, dass informiert und nicht totgeschwiegen wird!

Es folgt der letzte Schritt nach Westen, am 28. Spetember erreichen wir nach einer Fahrt an der trüben und stillen costa del muerte (Küste des Todes) entlang den westlichsten Punkt Spaniens, das Cabo Fisterra/Cabo Finisterre, nachdem wir in Laxe noch die besonderen und nicht ganz preiswerten percebes (Entenmuscheln, ganz o.k. aber einmal reicht) sowie die Paprika aus Padrón (fritiert in Olivenöl und mit grobem Meersalz serviert eine Delikatesse) probiert haben. Wie von vielen Orten der Erde dachten die Menschen lange Zeit, hier sei das Ende der Welt, insbesondere die Römer erfreuten sich an und erschauerten bei diesem Gedanken. Etwas besonderes hat es schon, an diesem Kap auf den Sonnenuntergang zu warten, auch wenn der dann wegen einiger Wolken nicht ganz im Meer stattfindet. Und ein Ende gibt es heute noch, nein, nicht das Ende dieser Reise, aber das Ende des Jakobsweges und das Ende des guten Gechmacks, wenn man die Souvenirs an den Buden betrachtet. Meerjungfrauen mit Delphinen und Schilkröten mit Wackelkopf (wie der bekannte Dackel) sind da eher Durchschnitt denn Entgleisung. Das Abendessen fällt dann, wie auch das Kap, sehr gemischt aus. Während Ratri mit galizischem Eintopf  und Rippchen sehr zufrieden ist konnte ich meinem fritierten Schnitzel und dem 0:0 von Atletico Madrid gegen Barca nichts abgewinnen.

Am 29. September wenden wir also und fuhren wieder gen Osten - Abschied vom Meer. Als nächstes steht Santiago de Compostela auf dem Programm, das zwar baulich schön aber sonst zu voll ist und als Gipfel des Pilgerhypes eher abstoßend auf uns wirkt. Schon mal in einer Kathedrale gewesen, einem Gotteshaus, in der es bei der Messe zugeht wie bei der Pressekonferenz des Bundestrainers nach einer 16:1 Niederlage gegen die B-Mannschaft von Lichtenstein? Bitte schön - in Santiago ist alles möglich!

Interessant auch, wie Santiago zu der Ehre kam, drittbedeutendster Wallfahrtsort des Christentums zu werden. Apostel Jakob begab sich eventuell kurz nach Null nach Spanien, um dort zu bekehren, scheiterte aber, wenn er denn überhaupt dort war, fürchterlich, und kehrte nach Jerusalem zurück, wo es ihm auch nicht viel besser erging, denn er wurde im Jahr 44 auf Befehl Herodes' enthauptet. Soweit so gut, nun gehts los. Sein Leichnam reiste in einem Marmorsarg auf einem von Engeln gesteuerten Schiff ohne Mannschaft sehr stilvoll durchs Mittelmeer, passierte die Straße von Gibraltar, landete vor der galizischen Küste und fuhr zu guter letzt den Rio Ulla herauf, wo seine Gebeine bestattet wurden. Wohl die erste Kreuzfahrt der Menschheitsgeschichte, im wahrsten Sinne des Wortes. Dann war lange Ruhe um Santiago, bis in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts ein gewisser Bedarf an Heiligen herrschte, schließlich war fast ganz Spanien von den bösen muselmanischen Mauren besetzt und jede Hilfe kam dem asturischen Königshof gelegen. Ein wundersamer Stern, begleitet von himmlischen Chören zeigte einem Einsiedler ein Feld, ein Sternenfeld, das campus stellae - Compostela. Man grub und wurde prompt fündig, wahrscheinlich kein Wunder, denn man grub auf einem römischen Friedhof. Damit war Compostela erfunden und Santiago wurde schnurstracks zum Schutzheiligen des Königreiches ausgerufen. Jakob erschien dann auch dienstbeflissen und pflichtbewusst 844 auf einem weißen Pferd auf dem Schlachtfeld von Clavijo und metzelte fürchterlich unter den Mauren, was ihm den Beinamen Matamoros (Maurentöter) einbrachte. Schon eine beachtliche Karriere vom heiligen Apostel zum Reiter von sleepy hollow! Mit derartigem Beistand war natürlich die reconquista nur eine Frage der Zeit und nach nur 700 Jahren war Spanien wieder christlich. Doch, oh weh, den heiligen Jakob vergaß man bei aller Freude über die lustige Inquisition und andere spaßige, christliche Errungenschaften und so bedurfte es eines erneuten Wunders, ihn oder vielmehr seine Überreste im 19. Jahrhundert noch einmal aufzuspüren. Auch hier erfolgte keine allzukritische Prüfung der Reliquie und und Papst Leo XIII erklärte den Fund für den "wahren Jakob".

Zurück in die Gegenwart, eine schöne Anekdote am Rande auch hier. Ein gaita-Spieler (Dudelsack) gibt galizische Weisen oder sonstwas zum Besten, verzückte Santiago-Besucherinnen halten ihm weinend das Handy entgegen und übertragen derartig Heiliges in alle Welt. Der junge Mann sieht etwas schmuddelig aus und trägt keine folkloristische Tracht, wie seine Pendants in A Coruna, sondern ein Iron Maiden T-shirt, weshalb ich ihm einen Euro zukommen lasse, ein Foto mache und ihm "up the irons" zuraune. Wenig später, wir sind uns unsicher, welche der Bars überhaupt zu einem Mittagessen taugen, betreten wir eine und treffen dort unseren Dudelsackspieler wieder, der uns prompt mit Handschlag begrüßt und sich noch eine Zigarette von uns ausleiht. Kein Zweifel, hier sind wir richtig! Nach einer Fahrt durch die Schlucht des Sil, dem Spektakulärsten, was wir im galizischen Hinterland, das uns eher etwas enttäuscht hat, zu sehen bekommen, landen wir an diesem Tag in Puebla de Trives, einem nichtssagenden Ort mit einem nichtssagenden Hotel mit nichtssagendem Restaurant. Auch der Wettergott lässt uns nun im Stich und die folgenden Tage regnet es ergiebigst.

Auf dem Weg nach Osten machen wir Halt in Astorga, hier in Kastilien-León versteht man die Leute schon wesentlich besser. Wir sehen uns den Bischofs-Palast von Gaudí an und besuchen das sehr empfehlenswerte Schokoladenmuseum, das wir natürlich nicht verlassen können, ohne Material für heimische Studienzwecke mitzunehmen.

Tipp! Museo del Chocolate (Schokoladenmuseum) in Astorga.

In León suchen wir uns zunächst ein Hostal, dann ist zunächst das Mittagessen fällig (nach dem kulinarisch eher rauhen Galicien eine Wohltat), dann eine Verlegung des Autos von einer Tiefgarage in die zum Hostal nähere und schließlich ein gemütlicher Stadtbummel im stömenden Regen. Die Kathedrale macht nach Compostela richtig Freude, auch sonst ist León ein schönes Fleckchen. Ratri läuft und läuft, findet kein Ende und schließlich haben wir uns noch verlaufen. Mein Rettungsversuch ist ein Teilerfolg, sehr umständlich umrunden wir die Altstadt und finden triefend nass unser Hostal wieder. Wir bergen alles Essbare aus dem Auto und so schlecht ist das sicher auch nicht, der Abend ist gerettet. Lustiger Weise heisst die letzte Flasche Wein, die wir noch haben, "Catedral de León", obwohl schon über eine Woche vorher gekauft.

Der nächste Tag ist nach wie vor verregnet und von Museen bestimmt. Museo de León lohnt nicht so, die Ausstellung über Gaudí am Jakobsweg ist ganz interessant aber den Besuch von San Isidoro sollte man sich nicht entgehen lassen (Fresken und wunderbare Bibliothek). Wir beschließen den Tag mit Champions League und raciones in einer Kneipe um die Ecke. Am 2. Oktober wollen wir eigentlich nach Burgos fahren, um unsere Reise durchs Mittelalter fortzusetzen. Dort angekommen, die Meseta ist heute wahrlich kein Glutofen, giesst es immer noch und wir verschieben den Besuch Burgos' - es besteht jetzt 1000 Jahre, da wird es uns so schnell nicht abhanden kommen. Satt dessen fahren wir nach Südosten und kommen am "Felsen der großen Vögel" vorbei, wie wir ihn taufen. Der Felsen liegt etwas östlich von Covarrubias an der C110, ist ca. 50m hoch und bei gutem Flugwetter, das sich nun eingestellt hat, von unzähligen Greifvögeln, vermutlich Gänsegeiern, bevölkert, die sich in die Tiefe stürzen, in der Thermik aufdrehen und wieder einladen. Großartig! Wir fahren dann nach Sto Domingo de Silos, in dem sich das Kloster befindet, dessen Mönche in den 90ern spektakuläre Erfolge mit gregorianischen Chorälen hatten, und das daraufhin von touristischen Horden heimgesucht worden war. Heute ist es ruhiger, wir wohnen in einem sehr schönen Hotel gegenüber des Klosters und besuchen mit gerade einmal 20 anderen Touristen die Abendmesse, die wirklich wunderbar, ergreifend, beeindruckend und anmutig ist.

Dreifach-Tipp! Felsen der großen Vögel östlich von Covarrubias and der C110, dann wohnen und essen im Hotel Santo Domingo de Silos und gregorianische Choräle im Kloster genießen (ist der Hype vorbei, freut sich der GlobeTrottel...)

Die weitere Reise führt durch die vom Etikett gewisser Getränkeflaschen bekannte Rioja, in der wir aber keine einzige Traube sehen (alles ein großer Betrug?). Hinter Logrono beginnt bereits wieder Navarra, da gibt es dann auch wieder Weingüter. In Puente la Reina biegen wir nach Süden ab, um in Mendigorria den Zeltplatz zu inspizieren, befinden aber die Hütten als völlig überteuert und fahren wieder. Dafür entdecken wir in Mendigorria die Bodega Joaquin Fernandez, in der wir neben einer sehr netten Führung sehr interssanten und fruchtigen jungen Wein (2002) bekommen, den Agrero. Gleich 24 Flaschen landen im Caddy und erweitern unseren Bestand an Mitbringseln erheblich.

Tipp! Bodega Joaquin Fernandez in Mendigorria südlich von Puente la Reina, fruchtiger junger Wein (Cabernet-Merlot) zu günstigen Preisen, außerdem sehr interessante und nette Führung durch die noch junge Bodega.

In Puente la Reina selbst besuchen wir noch den Paprika-Markt. Überall leuchtende Farben und ein Geruch von Paprika, in Drehrohröfen, gasbefeuert oder mit Holzkohle, gebacken, fertig um sie zu schälen und einzulegen. Nachdem wir in einem Supermarkt in Pamplona noch einmal kräftig für essbare Souvenirs gesorgt haben fahren wir nach Sangüesa, laut Reiseführer ein schöner Ort. Wenn, ja wenn da nicht diese Papierfabrik die Luft mit einem unerträglichen Gestank erfüllen würde. Also weiter, blos weg, mit offenem Fenster, erstmal lüften. Etwas weiter finden wir eine Perle, Sos del Rey Católico, eine wunderbar gelegene Stadt ganz im alten Stil gehalten, sehr gut in Schuss und nicht verbaut. Das Hostal "Fonda Fernandina" ist ebenfalls eine Perle und vor allem Marga, unsere Wirtin. Sie selbst stammt aus Salamanca, ist in Australien aufgewachsen, und hat eine Schwester, die in Köln geboren wurde. Das Essen ist gut und teilweise originell, Marga verarbeitet alles zu Pudding, was wächst oder Beine bzw. Flossen hat. Ratri probiert den Pudding mit Merluza, Pudding mit Seehecht, leicht süß und äußerlich von einem Flan (Karamell-Ei-Speise als Nachtisch) kaum zu unterscheiden - und der ist prima. Auf meine Frage, wie denn das in Spansich heisst, lachte Marga nur, zuckte mit den Schultern und sagt: "This? Pudding de Merluza, it's not typical for Spain, we make pudding of everthing, even vegetable, I am vegetarian." Marga war vor einigen Jahren für drei Monate in Indien gewesen und genoss es sichtlich, sich mit Ratri zu unterhalten, mit jemandem, der die Erlebnisse teilen kann, was in Sos del Rey Católico wohl eher selten sein dürfte.

Tipp! Fonda Fernandina, wohnen und gut essen, Plazy del Mesón 1, Sos del Rey Católico.

Am 4. Oktober fahren wir nach Norden zur Foz de Lumbier, einer Schlucht unweit des gleichnamigen Ortes, in dem wir eine Bodega finden. Auch hier wird uns eine nette Beratung zuteil, obwohl der arme Mann die ganze Nacht gearbeitet hat und sicherlich nicht für den Verkauf zuständig war. Wir kaufen noch 12 Flaschen einer misslungenen Charge mit auskristallisierenden Salzen, die aber die Qualität nicht beeinträchtigen (wir werden sehen) sowie 12 Flaschen des 2000er Senor de Aristu, ein Crianza, der etwa Ende des Jahres trinkreif wird. Wir sind gespannt. Damit erhöht sich unser Weinbestand im Caddy auf über 100 Flaschen und wir beschliessen, definitiv nicht über die Schweiz zurück zu fahren. Die Schlucht von Lumbier ist eher Mittelklasse in Anbetracht dessen, was wir schon gesehen haben. Allerdings gibt es ein exorbitantes Aufkommen von großen Greifvögeln, die ungelogen zu Hunderten über uns hinwegziehen. Schließlich verschlägt es uns nach Ochagavía, wo wir ein nicht ganz preisgünstiges Zimmer beziehen und mit einem mittelmäßigen Essen aus Spanien verabschiedet werden, denn am nächsten Tag geht es zurück nach Frankreich.

Die Weiterfahrt erweist sich wetterbedingt als etwas unerfreulich, dichter Nebel, Regen, auf dem Puerto de Larrau dann Schneeregen und zu guter letzt eine Kuhherde, die uns gefangen nimmt. Die Gorges de Kakouetta muss wegen des Wetters leider ausfallen, was unser Gemüt jedoch erhellt, ist das Essen im Restaurant Bellevue hinter Oloron-Ste-Marie an der N-134. Französiche Küche hat eben ihre eigene Magie und schlägt in puncto Raffinesse die spanische in jedem der vier Gänge!

Tipp! Restaurant "Bellevue" östlich Oloron-Ste-Marie an der N-134.

Nicht empfehlenswert das Schloss von Pau am ersten Sonntag im Monat, dann ist eintrittsfreier Tag und man kommt nicht weiter als in den Souvenirshop, zu viele Menschen. Sehr empfehlenswert dagegen der Besuch der Grottes de Bétharram! Nicht nur, dass die Grotte wunderschön ist, man fährt auch noch mit einem Drachenboot auf einem unterirdischen Fluss (zugegeben, nur 50m, aber immerhin) und mit einer Eisenbahn wieder aus der Grotte heraus. Wenn man dann noch das Glück hat, den Führer zu erwischen, der sich uns angenommen hat, ist das Erlebnis perfekt. Obwohl wir ihn nicht verstehen sind Gestik und Mimik wunderbar und spätestens als er einfach das Licht ausmacht um dann gellend laut aufzuschreien ist klar, um was für einen Spassvogel es sich handelt. In einem Ort namens Peyrouse unweit des berühmten Lourdes finden wir dann eine nette Unterkunft, aber leider kein Restaurant, was eine Selbstverpflegung aus den reichen Schatz- und Speisekammern des Caddy notwendig macht - kein Problem!

Der nächste Tag ist schicksahlhaft. Nicht, weil wir durch Lourdes fahren, nein, weil wir anschließend den berüchtigten Toumalet bezwingen, Tour de France-Fans wissen, was ich meine, um in einem verfluchten Ort namens la Mongie Karten für eine Fahrt mit einer verfluchten Seilbahn zu kaufen, die auf einen verfluchten Berg namens Pic du Midi de Bigorre fährt. Schon wenn ich den Namen tippe fühle ich ein Kribbeln im Bauch und irgendwie hätte ich ja auch wissen müssen, dass ein Berg, der berühmt für seine Aussicht und Standort eines Observatoriums ist, schwierig zu erreichen sein könnte. Nachdem (!) wir die Karten gekauft haben sehe ich ein Poster dieses Berges und erkenne auf der Stelle einen großen Fehler. Die erste Sektion der Bahn ist ganz normal, schleicht den Hang herauf, wie es sich für eine Bahn gehört. Als wir umsteigen müssen und ich die zweite Sektion sehe will ich am liebsten einfach nur weg. Selbst Ratri sagt nicht ohne eigennützigen Hintergedanken eindringlich "wir können auch wieder runter fahren", aber wir fahren weiter. Über einen haarsträubenden Abgrund, über und durch Fels, Eis, Kälte, den Tod. Wie Menschen an sowas Freude haben können, keine Ahnung. Die Aussicht ist zugegeben sehr gut und wenige Sekunden kann ich sie geniessen, bevor sich die Wirkung einer heissen Schokolade und eines Armagnac wieder verflüchtigten. Der Moment des Ausstiegs aus der Bahn jagt mir bis heute Glücksgefühle ins Gehirn.

Tipp für Schwindelfreie, Masochisten und GlobeTrottel! Pic du Midi de Bigorre südlich von Tarbes, fantastische schweizer Ingenieurskunst in Form einer Bergbahn, tolle Aussicht, interessantes Museum über das Weltall. Nicht verpassen sollte man, wenn einem danach ist, die heisse Schokolade und den Armagnac im Restaurant. Fahrpreis Bahn 24€, Nachsaison 20€, Schokolade und Amagnac nochmal 8€. Das Gefühl heile wieder unten zu sein ist allemal 32€ bzw. 28€ wert...

Von da an geht es ganz ruhig weiter nach Osten und schließlich über Foix in einen Ort mit Namen Capoulet-Junac, der südlich von Niaux im Departement Ariége in einem Seitental des gleichnamigen Flusses liegt und wohl auch auf nur wenigen Karten verzeichnet ist. Dort finden wir das gite rural von Jean Louis Gardes, wieder ein Tipp.

Tipp! Übernachtem im Appartement von Jean Louis Gardes in Capoulet-Junac am Ortsanfang von Niaux kommend gleich links die Einfahrt hoch, beschildert aber man fährt leicht vorbei. Großes Appartement, schön gelegen, ruhig, Kochmöglichkeit, Stellplatz fürs Auto.

Weniger einfach ist es in der Umgebung etwas zu essen zu finden, das mit Mützen ausgezeichnete Restaurant "petite auberge" in Niaux ist zwar beleuchtet und drinnen befinden sich Leute, es ist aber leider zugeschlossen. Im Hotel "Poste" in Tarascon bewirtet man trotz eingedeckter, leerer Tische nur Hotelgäste, da kann man nichts machen. Insgesamt wirkt die Gegend, als hätte man es in der Nachsaison ob der vollen Geldspeicher nicht mehr nötig, sich für ein profanes Menü für 35€ in Bewegung zu setzen. Daher ein pauschaler Antitipp, Verschlafenheit und Ruhe ja, Unverschämtheit nein! Da landet man selbst in der kulinarischen Inkarnation Frankreich schnell bei McDonald's oder wie wir, in einer Pizzeria, die aber ganz o.k. ist (hinter einem Gericht mit Namen pavé, Pflasterstein, verbirgt sich ein kapitales, ca. 1/2kg schweres Stück rosigen Rindfleischs und die Pizzen sind dünn, knusprig und schmackhaft belegt).

Am nächsten Tag eine Rundfahrt, zunächst die Grotte de Niaux, eigentlich nur mit Voranmeldung zu besuchen, aber in Anbetracht von vier Interessenten dürfen wir einfach so herein. Da die beiden anderen Holländer sind wird die Führung außerst charmant auf Englisch gehalten und ist damit sehr informativ, was einer der bedeutensten Funde prähistorischer Höhlenmalerei auch nur gerecht wird. Mit Lampen bewaffnet geht es in die nicht beleuchtete Höhle, jeder fühlt sich als kleiner Speleologe oder Archäologe - und dann steht man im schwarzen Saal vor 13000 - 14000 Jahre alten Malereien, so deutlich und detailliert, als wären sie gestern entstanden - beeindruckend!

Tipp! Grotte de Niaux mit prähistorischen Höhlenmalereien, einer der bedeutensten Funde dieser Art.

Danach ist es eine Tour de Chateaus - Chateau de Lordat, Chateau de Puilaurens, Chateau de Puivert, das berühmte Chateau de Montségur und schließlich Chateau de Roquefixade. Zwischendrin ein wunderbares Essen und schon wieder ein Tipp.

Tipp! Restaurant Le Rebénty in Axat, an der D-117 östlich von Foix und südlich von Carcassonne. Die Betreiber sind Holländer, wahrscheinlich nordafrikanischer Herkunft, die Atmosphäre ist großartig und das Essen wunderbar. Wer im Herbst unterwegs ist sollte die Steinpilze nicht verpassen! Zimmer gibts auch, können wir aber nicht beurteilen.

Am 8. Oktober ist dann die Rückreise fällig, jeder Urlaub geht einmal zuende. Immer nach Nordosten führt der Weg, ein letzter Sonnenstrahl im Rhonetal sagt uns adieu! In den Vogesen dann das Abschiedsessen und der letzte Tipp.

Tipp! Restaurant Caveau de l'Engelbourg in Thann en Alsace, Ortsmitte gegenüber dem Parkplatz bei der Polizei. Stilvoll essen und trinken, Schneckenpastete, Reh und Spanferkel in Biersauce auf Sauerkraut haben uns viel Freude gemacht.

Am 9. Oktober um 1:30Uhr kommen wir dann trotz ultimativ abgefahrener Reifen und Regen heile zuhause an. Eine Reise an eines der vielen Enden der Welt und wieder zurück - weitere werden folgen!



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