Nepal 2019 blog
7. Oktober
Jabba the Hutt und das Au Pair
Denke
ich über das Fliegen nach fühlt sich das heute komplett anders an als
noch vor einigen Jahren, als Flugzeuge eine Faszination ausübten,
Synonym für die große weite Welt und unser Abenteurerdasein waren.
Ungefähr 2013 hatten wir eine "James Bond"-Phase, über Kolkata
nach Shanghai, wir haben ja Freunde und Verwandte auf der ganzen Welt,
mal eben nach Lhasa, dann über Peking und Moskau zurück nach Frankfurt
und am Montag darauf geschäftlich via Los Angeles nach San Diego, mehr
als einmal um den Globus in 72 Stunden. Heute ist mir fliegen zuwider,
ich mag es nicht mehr, es strengt an, nervt, ist ein notwendiges Übel
und trotz aller Ausreden und vermeindlicher Kompensationen bleibt die
Tatsache, dass ein Flug ein Flug ist und zu etwa einem 1/150 Teil wegen
uns stattfindet.
Denke
ich über mein Fliegen nach handelt es
eigentlich immer von zwei Archetypen, die potentiell neben mir sitzen.
Der Erste ist Jabba the Hutt, Freunden der ersten Star Wars Trilogie
wohlbekannt. Jabba wird mittels Transporthilfen wie Sackkarren und
Hebezeug, assistiert von vier kräftigen Begleitern, zu seinem Platz
neben meinem begleitet. Schon im Prozess des Niedersetzens ergießt sich
ein fettgewordener Tsunami über den Sitz und gallertige Hautfalten
fließen über die Armlehnen, gefolgt von zwei mächtigen Extremitäten,
die, ob der Tatsache, dass seine Oberarme den Durchmesser eines
Hydranten aufweisen, weit vom mächtigen Körper abstehen und diese
Position bis zum Zielflughafen nicht verlassen werden. Jabba
terrorisiert die Flugbegleitung, säuft becherweise Whiskey, knabbert
lautstark Nüsse, verspeist meist zwei oder drei Mahlzeiten bevor ihn
der Schlaf übermannt und er lautstark schnarchend und grollend einen
pyroklastischen Speichelstrom aus seinem Schlund entlässt, der binnen
Minuten die Nachbarsitze durchnässt. Wacht er auf beginnt er harsch
einen Monolog über den Zustand der Gesellschaft und postuliert es müsse
mal wieder einer so richtig aufräumen, wie damals...
Ihm
gegenüber steht als Antipode das 15jährige Au Pair aus Ostwestfalen,
160cm groß, 45kg schwer, verschwindet im Sitz, ist schüchtern und sagt
keinen Ton. Höflich angesprochen unterhalten wir uns über ihr zukünftiges
Studium der Musik- und Theaterwissenschaften, ihr kürzlich
restauriertes Cello oder ihren neuen E-Bass. Ich
glaube auf der vergleichsweise kurzen Etappe von Australien nach Neuseeland vor 10
Jahren hatte ich eine Person dieses Typus' neben mir, die sich seit dem
als Lichtgestalt meiner Flugfantasien manifestiert hat.
Heute, in AI120 von FRA nach DEL wie wir Insider sagen, saß wieder Jabba
neben mir. Eigentlich. Aber irgendetwas ging schief. Vielleicht brach
die Achse der Sackkarre, vielleicht kugelte sich einer seiner
Assistenten den Arm aus, vielleicht wurde er auch von einem seiner
eigenen Kopfgeldjäger erschossen und mein Dämon ist endlich besiegt.
Neben mir war heute ein freier Platz.
Und so schreibe ich
entspannt und glücklich diese Zeilen etwa 12000m über woauchimmer, das
Display sagt leider nur "Flight Data Unavailable", während auf dem
freien Tischchen neben mir mein Gin and Tonic durch die Turbulenzen
geschüttelt wird, nicht gerührt. Und sofort stellt sich wieder ein Hauch von
"James Bond" ein, wenn da nur nicht das schlechte Gewissen wäre. Aber
immerhin sparen wir heute mindestens 200kg Gewicht an Bord, denn Jabba,
der fehlt.