Kreta 2023 blog - eine
Zeitreise
25.4. 2023 (Kissamos)
Kostas hat Tom heute Morgen einen riesigen Schrecken eingejagt, er hatte sich
unter der Bettdecke versteckt, anscheinend war er vom Hippie-Feeling so
angetan, dass er noch einige Zeit im bunten Hotel bleiben wollte. Das
ging nun leider nicht aber nach dem Frühstück mit Blick aufs Meer
durfte er sich noch für den Rest des Tages als Blumenkind fühlen.
Die
Gruppe reiste also mit Good Vibes im Gepäck gen Westen und passierte
die schöne Schlucht Kotsifou, ein erster landschaftlicher Höhepunkt des
Tages.
Wieder
am Meer erreichten wir unser erstes Ziel, Frangokastello mit seinem
venetianischen Fort. Der Legende nach soll diese Festung von Geistern
bewohnt sein, die sich allerdings vor uns versteckten. Es wurde
gemutmaßt, dass dieser Umstand der Tatsache geschuldet sei, dass Ratri
und ich gestern Abend in hohem Maße dem recht knoblauchlastigen Tsaziki
zugesprochen hatten.
Nach einem schönen Kaffee überkam uns pünktlich
zur Mittagszeit ein kleiner Hunger und wir genossen Huhn in
Zitronensauce, Gemista (mit Reis gefüllte Tomaten)
und Stamnagathi, ein Bergkräutersalat, ähnlich Mangold.
Weiter
ging es nach Norden in die Lefka Ori, die weißen Berge, eine
atemberaubende Straße voller Kehren schraubte sich in die Höhe, gesäumt
von allerlei Getier in den echt schafen Kurven. Mehr noch zwangen uns
aber andere Tiere zum nachhaltigen Auto fahren, denn man soll ja nicht
mehr Ziegen aus der Natur entnehmen, als man abends essen kann.
Umsichtig
folgte wir also der Imbros-Schlucht, sozusagen ein kleiner Verwandter
der Samaria-Schlucht, die weiter im Westen liegt. An der
Einstiegsstelle tranken wir noch einen Kaffee und genossen die
Aussicht, der spektakulärste Teil des Weges lag damit auch hinter uns,
eine wirklich atemberaubende Landschaft und wie alle Abschnitte dieser
Rundreise wieder ganz anders als alle davor. Merkwürdig war allerdings,
dass die Straßenschilder an der sehr neuen Straße bereits alle wieder
von Einschusslöchern durchsiebt waren, und zwar nicht wie die
restlichen des Landes mit kleinen Kalibern und Schrot sondern von
richtig massiven Geschossen, die etliche Zentimeter durchmessende
Spuren hinterlassen haben. Nun ist Kreta dafür bekannt, dass sich die
Hälfte aller griechischen Schusswaffen in Privatbesitzt auf der Insel
befindet, aber dieses Schussbild hat uns dann doch überrascht. Bei der
Abfahrt vom Pass sahen wir die Beschilderung eines Schieß-Clubs
und eines Kriegs-Museums, eventuell kein Zufall.
Kurz
vor Chania versuchten wir dann erneut den Weg zu einer Festung auf
einem Bergrücken zu finden und scheiterten wieder, beschlossen aber,
dass für Fehlversuche dieser Art, auch für wiederholte, kein Häkchen
abzuziehen ist.
Kurzerhand disponierten wir um und besuchten den
möglicherweise ältesten Olivenbaum der Insel oder der Welt, wer weiß
das schon. Wissenschaftlich zu belegen ist es nicht, aber Schätzungen
ergaben 3000-5000 Jahre. Dass "alle Kreter lügen" hat übrigens ein
Seher mit dem schönen Namen Epidemidis postuliert, klingt nach Asterix,
ist es aber nicht.
Wie auch immer, der Baum von Vouves ist einen
Besuch wert, denn uralt ist er alle mal, und die Hand auf einen
solchen Organismus zu legen und sich vorzustellen, was in diesen drei
oder fünf Jahrtausenden alles passiert ist, führt, zumindest bei mir,
dazu, dass ich mich bei ihm nur dafür entschuldigen kann, was wir ihm
und dem Planeten Erde seit einigen Hundert Jahren antun.
Am
Ende des langen Fahrtages erreichten wir Kissamos und waren damit im
Nordwesten Kretas angekommen. Kurz zuvor sahen wir in der Bucht das
Wrack eines havarierten Schiffes, die Recherche ergab später, dass es
sich um die "Manassa Rose" handelt, im Januar 2022 auf Grund gelaufen,
unter komorischer Flagge fahrend auf dem Weg von der Türkei nach
Libyen. Beseitigt hat es noch niemand.
Unser Appartement ist
auch hier modern, geräumig und gemütlich, die Mutter des Vermieters
begrüßte uns mit frischem Obst, hier werden wir wieder zwei Nächte
bleiben. Die kleine Stadt ist weit weniger touristisch als viele, die
wir vorher besucht haben, bedingt durch die Vorsaison auch noch recht
verschlafen und sicher nicht von Sehenswürdigkeiten geplagt. Aber es
gibt eine schöne Promenade am Strand mit etlichen Tavernen und einer
davon statten wir auch gleich einen Besuch ab. Pikante kretische
Bratwurst, einen Schinken ähnlich dem bei uns bekannten Pastrami,
Erbsengemüse mit vielen Kräutern und Kartoffeln, Zucchinitaler mit
Käsefüllung, Tsaziki und Oliven - alles ganz wunderbar lecker!
Kostas hatte es sich derweil auf dem Sofa gemütlich gemacht und träumte von
einer Welt voller Blumen, in der Schafe, Ziegen, Hunde, Menschen
und uralte Olivenbäume friedlich zusammenleben...!