Iran 2017 Tagebuch - 30. Oktober
Mit dem Schub der Triebwerke fallen die ersten Kopftücher - Abschied von
Iran.
Das Kopftuch, ein Kleidungsstück mit Symbolcharakter, Strahlkraft und ein
Politikum. Das liebste Feindbild der Liberalität im aufgeklärten Westen, in
dem wir genau wissen was gut für unsere Frauen ist uns was nicht. Die
Freiheit kein Kopftuch tragen zu müssen verteidigen wir zur Not auch am
Hindukush, die Freiheit eines tragen zu dürfen ordnen wir unserer
freiheitlich demokratischen Grundordnung und vor allem natürlich unserer
Leitkultur unter. Haare zeigen ist Freiheit, genau so wie Brüste zeigen.
Zumindest manchmal, im Urlaub am Strand zum Beispiel, auf der Titelseite der
Boulevardzeitung oder im Pirelli-Kalender. Im kleinstädtischen Freibad schon
eher nicht mehr. Aber Bikini, das ist gelebte Freiheit haben uns die
alternativen Spatzenhirne ja sogar auf den Wahlplakaten erzählt. Geht die
selbe Lehrerin am nächsten Tag mit dem selben Kleidungsstück bekleidet zur
Arbeit schmeißen wir das Flittchen aber von der Schule, wie die Perserkatze
mit dem Kopftuch. Wir kennen uns also damit aus was für wen wann wo erlaubt
ist was nicht. Nur am Hindukush kennen wir uns nicht aus.
Was ich sagen will ist, dass mir kein Wissenschaftler, kein Theologe und
kein Philosoph gleich ob aus dem Morgen- oder dem Abendland belastbar
herleiten können wird welchen Teil des Körpers wer zu welcher Zeit bedecken
muss oder eben nicht. Und in Iran? Symbolkraft pur, Farbe, Größe, Position.
Für das Selfie vor historischer Kulisse mal eben runter und Mähne schütteln,
abends in der Hotellobby auch, aber nur kurz. Wie in Deutschland der 1960er
Jahre der Minirock und kurze Haare bei Frauen, bei Männern lange, eine
Provokation und ein Aufbegehren gegen die konservative Elterngeneration. Und
mehr, denn der Kleidungszwang in Iran ist staatlich verordnet.
Was ist nun mit dem Resümee? Kramen wir mal im kleinen 1mal1 des
Reisereporters. Ah, da haben wir es ja:
Iran - ein Land zwischen Tradition und Moderne
Oh jeh, wie abgedroschen. Befindet sich nicht jedes Land und überhaupt alles
zwischen Tradition und Moderne, vom Amazonasindianer bis zum ostfriesischen
Krabbenfischer? Ist nicht jedes Elementarteichen des Universums im Jetzt,
also zwischen Vergangenheit und Gegenwart? Physiker werden mir jetzt
widersprechen aber für meine simple Welt reicht ein eindimensionales,
lineares Verständnis der Zeit.
Nächster Versuch:
Iran- ein Land zwischen Schafskopf und Crazy-Burger
Schon besser. Begreifen wir die Gegenwart, das Hier und Jetzt, als Summe der
Vergangenheit, können wir uns das Vorgefundene vielleicht erklären. Über
2500 Jahre Geschichte, von den Achämeniden über die Sassaniden und die
Safaviden bis zu den Pahlavi und der islamischen Revolution von 1979. In
unserem touristischen Programm begegeneten wir allem, für das alltägliche
Leben der Menschen in Iran dominiert natürlich die jüngere Geschichte.
Sehe ich in meinen gut gefüllten lila Eimer stelle ich fest, dass meine
Vorstellungen über Iran lücken- und fehlerhaft waren. Wir haben ein modernes
Land kennengelernt, in dessen Alltag die Religiösität eine weit weniger
große Rolle spielt, als wir uns das aufgrund der Berichterstattung in
unseren Medien vorstellen. Wir haben die Gastfreundschaft und
Aufgeschlossenheit der Menschen kennengelernt wie in kaum einem Land vorher.
Es gab viele Begegnungen, manchmal nur ein Lächeln und dessen Erwiderung,
manchmal ein kurzes Gespräch, die mich sehr berührt haben. Ein Schüler oder
Student in Shiraz fragte mich in der Arge der Zand wie uns Iran und die
Menschen gefallen. Meine durchweg positive Antwort hat ihn sehr gefreut und
er sagte mir seine politischen Führer erzählen ihnen wir würden die Iraner
hassen und einen Krieg anzetteln wollen, dass dem nicht so sei mache ihn
sehr glücklich.
Ratri sagte sehr treffend, dass neugierige, junge Frauen die Zukunft Irans
seien. Dem kann ich mich nur anschließen. Das Erlebte war traumhaft schön
und ich träume nun davon, dass eines Tages für alle Iranerinnen und Iraner
ein selbstbestimmtes Leben Wirklichkeit wird, das sie so gestalten können,
wie sie es sich wünschen!
Für uns war unsere Reise nach Iran eine durchweg positive und faszinierende
Erfahrung. Wir haben die gemeinsamen 15 Tage sehr genossen und können uns
keine besseren Begleiter als Hooman und Hassan vorstellen. Und wir sind uns
ganz sicher nicht zum letzten Mal in Iran gewesen zu sein.