Iran 2017 Tagebuch - 24. Oktober
Heute nun also Shiraz, ein klangvoller Name, Stadt der Pomeranzen. Dem
großen persischen Dichter Sa'di zufolge wird ein Besucher sein Heimweh
vergessen, wenn er diese Stadt im Mai besucht. Nun ist zwar Oktober aber das
Heimweh hält sich auch bei uns in Grenzen, zu schön, interessant,
abwechselungsreich und gesellig ist diese Reise.
Nach dem Frühstück besuchten wir zunächst die Arge (Burg, Regierungssitz...)
Karim Khan Zands, erbaut in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. In der
Zeit der Zand-Synastie wurde Shiraz die Hauptstadt des Reiches und kam zu
voller Blüte, daher sind viele Bauwerke nach diesem Herrscher benannt, der
nicht König sein wollte, und Vakil, was wörtlich übersetzt "Anwalt" heißt,
gerufen wurde. Das gut restaurierte Bauwerk beeindruckt durch einen schönen
Innenhof sowie Räume mit herrlich bemalten Decken und großen Fenster mit
buntem Glas. Auch der Souvenirladen ist eine Reise wert und bietet in
Khatam-Technik (Intarsien) handgefertigte Stücke an. Khatam bedeutet es
werden Leisten unterschiedlichsten Materials parallel verleimt, dann sehr
dünn geschnitten und für das Einlegen in die Oberfläche verwendet. Das Auge
kann sich an den reich verzierten Gegenständen nicht satt sehen, ebenso
wenig an den ebenfalls angebotenen Bildern und Miniaturen, die feine Kunst
Persiens vermag zu begeistern.
Nächster Programmpunkt war die Vakil-Moschee, ein prächtiger Bau mit Kacheln
in außergewöhnlichen Farben, hier herrschen florale Motive und
Vogelabbildungen vor, zu bunt für Nachtigallen, es handelt sich eher um
Papageienvögel. Ebenfalls bemerkenswert schön sind die gekachelte Säulen am
Eingang, diese Kacheln sind in der entsprechenden Rundung gebrannt.
Weiter auf den Spuren Vakils besuchten wir als nächstes den entsprechenden,
etwa 1000 Jahre alten Bazar, der aber in der Zeit der Zand renoviert und
ausgebaut wurde und daher diesen Namen trägt. An den eigentlichen Bazar,
ehemals ein Großhandel, waren etliche Sarais als Lagerorte der Kaufleute
sowie eine Caravan Serai (Karawanserei) angeschlossen, insgesamt ein
effektives Logistikzentrum. Heute ist der schöne Bazar natürlich eine
Ansammlung vieler Einzelhändler und verglichen mit den bisherigen schon
deutlich mehr auf Touristen ausgelegt, auch wenn der Preis für die beste
Werbung weiterhin an Kerman geht: (in Deutsch) "Kaufen sie ihren
Souvenirlöffel hier. NOT MADE IN CHINA"
Ein Gedanke dazu, außer, dass es eben witzig klingt: Hochmut kommt vor dem
Fall, und das gilt hier wie auch bei uns. "Made in Germany" auf ein Produkt
zu stempeln war eine britische Erfindung und diente einst als Warnung vor
deutschen Erzeugnissen, aber der Schuss ging nach hinten los. Und "made in
Japan" wurde bis Mitte der 1960er Jahre als Garant für eine hilflose Kopie
verspottet, danach gingen die deutsche und britische Motorradindustrie den
Bach runter. Bei Instrumenten steht "made in Japan" heute auch nur noch auf
den hochklassigsten und teuersten Gitarren von Ibanez und Aria Pro II. China
kann alles, von billigstem Ramsch bis Spitzenklasse.
Zurück nach Shiraz, uns gefiel der Bazar wieder ausgesprochen gut, wir
tranken Tee und Kaffee, aßen die Spezialität aus Shiraz, Faloudeh, ein
eisartiges Gericht aus gefrorenen Stärkefäden, evtl. Reis, mit saurer oder
süßer Sauce, und nahmen das reiche Angebot mit allen Sinnen wahr. Was unsere
Souvenirtüte angeht wurden wir um einen flachen Kebabspieß und
Trockenfrüchte bereichert, drei Sorten Rosinen oder Sultaninen, zwei Sorten
Pflaumen, insgesamt mehr als ein Kilogramm.
Nach einem Mittagsimbiss und einer kurzen Verschnaufpause folgte eine
Mausoleen-Rundfahrt. Zunächst Sa'di, ein Dichter aus dem 13. Jahrhundert,
der 30 Jahre auf Reisen war und sich schließlich in Shiraz niederließ, um
seine Lebensweisheiten aufzuschreiben, was ich ja aufgrund von langjährigem
Effizienztraining bereits während der Reisen tue.
Dann Ali Ibn Hamzeh, ein Prediger aus Bagdad, Zeitgenosse von Sa'di, etwas
weniger bedeutend und populär, dafür mit einem unglaublich prächtigen
Mausoleum geehrt, dessen Inneres über und über mit Spiegelmosaiken
ausgeschmückt ist, was einen nicht beschreibbaren Lichteffekt bewirkt.
Und schließlich der beliebteste Dichter Irans, Hafez, was wörtlich "der den
Koran auswändig kennt" heißt, daher mit vollem Namen "Hafez aus Shiraz", der
im 14. Jahrhundert gelebt hat. Seine Heimatstadt hat der Bäckergeselle nie
verlassen, verliebte sich dann in ein Mädchen aus gutem Hause, ein
hoffnungslos unerfüllbares Verlangen, es folgten Dichtungen über Schmerz,
Liebe, Lust, Genuss und das Schicksal - ganz großes Kino eben. Seine Texte
wurden erst nach seinem Tod gesammelt und als Buch "Diwan von Hafez"
veröffentlicht. Aus der Auseinandersetzung mit diesem Werk entstand auch
Goethes "West-östlicher Diwan" und Hafez' Werk ist in so gut wie jedem
iranischen Haushalt vertreten. Seine Verse werden sogar für Orakel benutzt,
es wird willkürlich eine Seite aufgeschlagen, mit dem Finger auf einen Vers
getippt, dieser wird dann vorgetragen und interpretiert (fal-e Hafez).
Selbstverständlich befindet sich der Diwan von Hafez, übrigens auch
Namensgeber für unseren Reiseveranstalter Diwan-Tours, seit heute auch in
unserer Bibliothek, erworben am Originalschauplatz Shiraz in Persien,
genauer dem Souvenirshop am Mausoleum des Meisters.
Den Abschluss der Stadtbesichtigung haben wir dann Hassan zu verdanken, der
uns nach unserem Besuch der Musikalienhandlung in Mahan von einem großen
Geschäft dieser Art in Shiraz erzählte. Die Auswahl war dann auch in der Tat
prächtig, edle Gitarren, unter anderem Höfner und die mir nicht unbekannten
spanischen Cuencas zu Preisen weit über 1000€, Blas-, Schlag-,
Streichinstrumente und vor allem Klaviere sowie Flügel von Yamaha und
anderen namenhaften Herstellern. Der Enthusiasmus sich um uns zu kümmern war
dann auch entsprechend gering, Touristen kaufen nun mal keine Klaviere. Aber
Notenhefte, dieses Mal für Klavier, damit haben wir jetzt beide iranische
Musik zum Üben.
Nach einer schnellen Dusche war dann schon wieder Zeit für das Abendessen,
einmal mehr ganz anders als zuvor, kleine Gerichte mit dem Schwerpunkt
Aubergine - sehr lecker und abwechselungsreich. Wieder ein erfüllter Tag,
den wir freudig begrüßt von den Betreibern wieder mit einem Espresso
ausklingen ließen. Ein Tag ohne Heimweh im wunderbaren Shiraz.