04.01. 2016
Unser heutiger Reisetag führte uns in die über 300km weit entfernte
Hauptstadt von Madhya Pradesh - nach Bhopal. Auf dem Weg fielen uns
kurz hinter Jabalpur zunächst viele Tanklaster auf und tatsächlich
passierten wir anschließend große Raffinerien. Die Landschaft blieb
aber bis auf diese Ausnahme ländlich und wir sahen vor allem viele
Felder mit Zuckerrohr. Bei einer kleinen Rohrzuckerherstellung hielten
wir und sahen uns das Verfahren an, bei dem die aus dem Rohr gepresste
Melasse durch mehrere kleine Becken fließt, dabei mit Feuer von unten
erhitzt und schließlich in Formen abgekühlt wird. Endprodukt sind
zylindrische Rohrzuckersäulen von etwa 10 Liter Volumen. Die kleine
Fabrikation hat mir sehr gut gefallen und wir haben viele Fotos
aufgenommen. Im weiteren Verlauf der Fahrt sahen wir große Fabriken für
Rohzucker, vor denen Hunderte Traktoren und Ochsenkarren mit Zuckerrohr
warteten. Um diese Fabriken bilden sich Zeltstädte mit einfachsten, aus
Planen errichteten Behausungen, in denen die Wanderarbeiter aus
Maharashtra in der Erntezeit wohnen, teilweise mit ihren Familien.
Für einen kleinen Mittagsimbiss hielten wir an einer Lokalität am
Straßenrand und waren gleich die gefragtesten Fotomotive. Ein Mann lies
sich mit uns ablichten, hinter dem Tresen hing ein Bild von ihm und
Premier Modi, bei dem er 2003 als Bodyguard eingesetzt war. Als wir
dann zu unseren frittierten Gemüsestücken noch grüne Chilipaste
bestellt und verzehrt haben waren alle aus dem Häuschen.
Am Nachmittag trafen wir dann bei den Felsmalerien von Bhimbetka ein,
die 1954 entdeckt wurden und seit 2004 Weltkulturerbe sind, angeblich
die wichtigsten prähistorischen Zeugnisse nach Altamira. "Angeblich" da
Inder einen gewissen Hang zum Superlativ haben und eine gesunde Skepsis
bei der Lobpreisung indischer Errungenschaften immer angebracht ist.
Die ältesten Spuren menschlicher Besiedlung, behauener Stein, sind hier
100000 Jahre alt, die Zeichnungen wurden von etwa 10000 vor bis 600
nach unserer Zeitrechnung erstellt. Zu sehen gibt es bildliche
Chroniken (sind es wirklich Chroniken?) in weißer, roter und
gelb/grüner Farbe, je nach Zeitalter, die vornehmlich Tiere wie
Hornträger, Elefanten, Tiger und Pferde, in neuerer Zeit aber aber auch
Szenen der Gesellschaft vom Beginn von Ackerbau und Viehzucht bis hin
zu Herrschern zur Zeit Ashokas und Chandraguptas zeigen. Unser
vor-Ort-Führer Bhimal erklärte uns alles Wissenswerte und begleitete
uns durch den zugänglichen Teil der Anlage, die meisten Zeichnungen
aber liegen im für Besucher gesperrten Gebiet.
Mitten im Rundgang wurden wir dann für ein kurzes Interview vor die
Kamera gebeten, von wem und wozu haben wir nicht verstanden aber
vielleicht schaffen wir es, nachdem wir 2014 in Bangalore ja schon in
der Zeitung zu sehen waren, dieses Mal ins Fernsehen. Erstaunlich ist,
dass wir bereits nach nur zwei Wochen Training durch den Druck auf
einen unsichtbaren Knopf Lobeshymnen und Nettigkeiten ausspucken
können, vor laufender Kamera priesen wir spontan die "overwhelming
hospitality of the people of Madhya Pradesh" und die "beauty of this
important historical place".
Zum Sonnenuntergang besuchten wir in Bhojpur vor den Toren Bhopals noch
ein Mukesh-Spezial-Ziel, einen etwa 1000 Jahre alten Shiva-Tempel, den
der König von Bhopal für seine Frau gebaut hat, ein Geheimtipp abseits
der etablierten Touren. Und tatsächlich war der Tempel mit seinem
riesigen Shiva-Symbol einen Besuch wert, wenig besucht, wunderschön und
mit einer friedlichen Atmosphäre im späten Licht des Tages.
Nach weiteren 50km erreichten wir Bhopal, eine Stadt mit 2,5 Millionen
Einwohnern, die bei uns den meisten nur durch das entsetzliche
Chemieunglück in der Fabrik von Union Carbide im Jahr 1984 bekannt ist,
oder selbst das nicht. Um 19Uhr, es war wieder ein langer Reisetag,
trafen wir dann in unserem Hotel ein, wieder ein Haus der obersten
Kategorie, das "Jehan Numan Retreat". In den Nachrichten lasen wir von
einem schweren Erdbeben im Nordosten Indiens, das Land kommt was
Naturkatastrophen angeht momentan einfach nicht zur Ruhe.