02.01. 2016
Den gestrigen Abend verlebten wir in einer geselligen Runde, die allen
deutschen Klischees des "very british" gehorchte. Jane ist hier in
Kanha gestrandet, da ihr Flug aufgrund einer Flughafenschließung
gestrichen wurde. Diese wurde nötig, da ein Flugzeug mit einem
Wildschwein kollidiert ist, nun muss vor der Wiedereröffnung zunächst
ein Zaun gebaut werden. Marie und Steven sind passionierte
Naturreisende und er ein ambitionierter Hobby-Fotograf, die beiden
waren in Bandhavgarh auch mit Gudda unterwegs, der ihnen viel zeigen
konnte, auch was das Fotografieren angeht. Nach einem Vortrag über
Schlangen haben wir mit den dreien zu Abend gegessen, wenn wir zu zweit
unterwegs sind bekommen wir natürlich viel eher Kontakt zu anderen
Reisenden als in einer Gruppe.
Heute Morgen waren wir noch vor 6Uhr in einem Jeep mit Marie und Steven
am Tor zum Kahna National Park. Da es hier nur einen Eingang gibt ist
mächtig was los, bis zu 130 Autos warten und es bildet sich eine lange
Schlange von Besuchern, die noch kein Ticket haben und hoffen noch
eines zu ergattern. Teilweise wird das Tor die ganze Nacht belagert und
da selbst 300 Jahre britische Vormachtstellung den meisten Indern das
disziplinierte Schlange stehen nicht näher bringen konnte wachen
Polizisten mit Schlagstöcken darüber, dass der Drang zum Schalter nicht
überhand nimmt.
Während wir auf den Einlass warteten zeigte Steven uns seine
Tiger-Bilder aus Bandhavgarh, die schon etwas neidisch gemacht haben.
Die beiden haben an einem Tag mehrere der großen Raubkatzen gesehen,
teilweise ganz nah am Auto und im schönsten Sonnenlicht. Anscheinend
gibt es soetwas wie Tiger-Tage und Nicht-Tiger-Tage, das heißt an
manchen Tagen sehen fast alle Besucher die Großkatzen, an manchen eben
nicht. Hier in Kanha ist die Wahrscheinlichkeit aufgrund des dünneren
Besatzes und der Größe des Parks deutlich geringer, wenn wir also dem
"Projekt Tiger" mal richtig auf die Sprünge helfen wollen sollten wir
wohl besser vier oder fünf Tage in Bandhavgarh bleiben.
Unsere erste Safari führte uns heute in das Kerngebiet des Kanha Parks,
das relativ offen und daher gut zur Beobachtung von Tieren geeignet
ist. Die Stimmung am frühen Morgen war traumhaft, der Frühnebel hing in
den mit hohem Gras bewachsenen Flächen und das Licht der aufgehenden
Sonne wärmte uns langsam auf. Wir sahen eine große Herde Gaur, die sehr
nah bei uns Blätter von den Bäumen fraß, ein Nest mit zwei Geiern,
viele Hirsche (Sambar und Spotted Deer), das nur hier vorkommende
Barasingha (Hirsch), Wildschweine, Adler, eine braune Fischeule,
Schakal, Vögel wie den Kingfisher, den Roller und einen Kestrel (Falken) sowie als
Höhepunkt wieder die seltenen Jungle Cats, ein weibliches Tier mit
einem Nachwuchs. Dieses Mal verzogen sich die beiden aber rasch ins
hohe Gras, so dass kein Foto möglich war.
Am Anfang der Nachmittagssafari, für die wir wieder einen Jeep für uns
hatten, musste ich wieder einmal feststellen, dass ich Iniden auch im
sechsten Jahr nicht verstehe. Am Tor musste ich unseren "naturalist"
Harpreet begleiten um zusammen mit unseren Pässen (immer notwendig bei
der Einlasskontrolle) vorgezeigt zu werden. Die Führer, die keinen
passenden Touristen zu den Ausweispapieren vorzeigen konnten, wurden
nach hitziger Debatte abgewiesen. Zwischen unseren Pässen lag eine 500
Rupies Note und wie es der Zufall so wollte waren wir wieder das erste
Auto, das in den Park durfte. Es ist also eventuell nicht ganz egal bei
wem man seine Safari bucht und wenn es so sein sollte ist es ist eine
Schande die Korruption auf diese Art und Weise zu unterstützen.
Die Safari war dann wieder hochinteressant und wir sahen nochmals die
mächtigen Gaur von nahem. Ich liebe diese ursprünglichen Rindeviecher
ebenso wie Wisent und Bison. Ansonsten verlegten wir uns statt hektisch
im Park umher zu fahren auf das Lauschen, die Tiger werden nämlich
anhand der Warnrufe anderer Tiere wie Muntjac (Barking Deer) oder Affen
lokalisiert. Das macht die Sache ungemein spannend, zumal im Gegensatz
zur Morgensafari die Chance einen Tiger zu finden mit fortschreitender
Zeit zunehmend steigt. Am Ende des Tages duschten wir uns trotz allen
Versuchen den
tigerfreien Staub von den Spürnasen, waren aber dennoch hochzufrieden.
Morgen in der Früh nun also die letzte Tiger-Chance für diesen Urlaub!
Nach einem Vortrag über den Kanha-Park aßen wir mit Jane zu Abend und gingen dann aus gutem Grund früh zu Bett.