07.12. 2014

Das war er nun also, der letzte Tag des gemeinsamen Urlaubs in Südindien. Nach dem Abschied von Mararikulam fuhr uns unser Mr. Johny nach Cochin, der angeblich ältesten europäischen Siedlung in Indien. Mr. Johny und den Force wieder zu sehen tat richtig gut, einsteigen, weiter gehts, nochmal drei Wochen bitte. May the Force be with you! Ging leider nicht.

In Cochin gabelten wir unseren Tagesführer auf und vollzogen Speed-Sightseeing. Den Palast von Mattancherry, die Pardesi-Synagoge, die St. Francis Church und die chinesischen Fischernetze an der River Road - alles in 2 Stunden. Der Palast, einst ein Geschenk der Portugiesen an den hiesigen Herrscher, ist heute ein Museum. Sehr sehenswert sind die Wandbemalungen, die Szenen aus der Ramajana zeigen, bzgl. ihres Erhaltungszustandes allerdings den herrschenden klimatischen Bedingungen Tribut zollen mussten. Interessant auch die Fotos aus dem letzten Jahrhundert und die Geschichte der Sari-Blusen-Kombination in Indien, die uns unser Führer erzählte. Saris mit Bluse wurden nämlich eigentlich nur in Mumbai getragen, bis ein Mitglied der Herrscherfamilie in Cochin die europäische Ölmalerei importierte und sein Modell, das aus Mumbai stammte, immer wieder im Sari mit Bluse portraitierte, egal welche Gottheit oder sonstige weibliche Person er malte. Die Bilder wurden verfielfältigt und waren das, was wir "trendsetter" der Mode nennen, und der Sari mit Bluse verbreitete sich als Ideal der schönen Kleidung rasch über ganz Indien. Fotos der Frauen der Raja-Familie scheinen diese Geschichte zu belegen, ob sie wahr ist ist eigentlich egal, denn sie ist gut.

Die Synagoge, deren weiße, einst aus Spanien und Portugal stammende Gemeinde gerade noch sieben Personen zählt und vermutlich bald ausstirbt, ist so wenig in Gebrauch, dass man zu meinem Erstaunen keine Kopfbedeckung tragen muss. Zwar gibt es noch an die Hundert "schwarze Juden" aus Äthiopien, das Gemeindeleben scheint aber brach zu liegen. Ganz im Gegenteil zum "jüdischen Viertel" drumherum, in dessen Gewürzläden es wieder 25g-Minitütchen für 4€ gab, und natürlich Safran, der hier nicht wächst. Im Preis inbegriffen sind die Etiketten, die die Touristen mögen: Frauenkooperative (das ist die Steigerungsform von fair trade), organic (bio) und best quality. Das es Safran gibt ist übrigens kein bisschen verwunderlich, sehen die einstigen Juden Cochins heute doch eher aus wie Kaschmiri...

Die St. Francis Church hält ebenfalls irgendeinen Rekord, ist also die älteste Kirche in einem beliebigen Definitionsraum. Hübsch ist sie allemal und da es Sonntag ist auch gut besucht. Bei den chinesichen Fischernetzen, die es in China angeblich nicht mehr gibt (am Brahmaputra in Assam übrigens dagegen schon, wie wir vor zwei Jahren feststellen konnten), verabschiedete sich unser Express-Guide und wir fuhren zum Abschiedsessen. Nochmal Tintenfisch und Fisch nach Kerala-Art, mit Kokos und Knoblauch. Und wieder ganz anders als die Male vorher, und wieder hervorragend.

Anschließend fuhren wir zu unserem Hotel, Geli, Mike und Uwe bereiteten sich auf den Flug vor und wurden dann von uns verabschiedet. Jetzt erwartet der Leser zu Recht ein Resümee. Nun ja, also gut. Die Reise war fantastisch, von Rajesh sehr gut organisiert, abwechselungsreich und die Unterkünfte auf extrahohem Niveau. Die Führer waren kompetent und sprachen sehr gut Englisch, Mr. Johny war ein ausgezeichneter Fahrer und der Force ein geeignetes Fahrzeug. Nun sind wir Deutsche und haben daher an allem etwas zu meckern aber wenn man ganz ehrlich ist gab es dazu keinen wirklichen Anlass. Das Wetter war kühler als erwartet, die Mücken weniger als befürchtet, das Essen spitze. Ob wir allerdings den Siegerpokal an "alte Steine" oder "Tiere" vergeben, oder anders ausgedrückt nach einer etwas überholten Klassifizierung an "Kultur" oder "Natur", wissen wir selbst nicht. Der Besuch von Hampi, Halebid, Belur und Madurai war bezaubernd und faszinierend. Aber unsichtbare Tiger verfolgen, bei Nacht Schlangen finden und frühmorgens Vögel beobachten auch. Ähnlich steht es mit dem Oskar in der Kategorie "Hotel". Visalam hat Charme, Stil und Geschichte, Orange County liegt einfach unglaublich schön in der Natur. Also bleiben wir beim Überbrücken der Widersprüche durch östliche Philosophie. Alles ist der Sieger, je nach dem, welche Geschichte gerade erzählt wird.

Was den anstehenden Abend unseres Hochzeitstages angeht sind wir allerdings nicht auf dem Siegertreppchen gelandet. "Casino Hotel" klingt nach James Bond, ist aber eher Alcatraz. Es liegt auf Willingdon Island in einem heruntergekommenen Industriegebiet mit vielen halbverfallenen Gebäuden und ebensolchen petrochemischen Anlagen. Man kommt nicht ans Wasser, da überall eingezäunte Firmengelände sind. Es ist an einem Sonntag einfach "nichts" hier. Die Angestellten dekorieren einen faltbaren, hölzernen Tannenbaum und aus dem Lautsprecher tönt "stille Nacht, heilige Nacht". Dafür hat das Hotel angeblich eines der besten Fischrestaurants Indiens und wir eine Reservierung für 20Uhr. Was aber passt nicht zu unserer Erwartung an diesen Abend, welches Detail weicht von dem Bild in meiner Fantasie ab? Es ist Sonntag und daher "dry day" in Kerala, 25% Christen haben ihre Spuren hinterlassen, so etwas wie das Sonntagswaschverbot bei uns, verstaubte Anachronismen aus dem "Hexenhammer". Also kein Glas Weißwein zum Fisch, auf das wir uns so gefreut haben. In den letzten vier Hotels der cgh earth Kette lag Weißwein in der Minibar, den wir nie angerührt haben. Hier nicht. Nur Bier. Aber es gibt einen Zettel, sie können die Minibar mit allem auffüllen, was wir möchten. Aber, so erfahren wir an der Rezeption, nicht heute, es ist "dry day". Ich kann also das Bier aus der Minibar trinken aber keinen Weißwein reinlegen lassen? So ist es.

Incredible India.

Und nun freuen wir uns auf ein Glas Bier im Zimmer zum Hochzeitstag und auf ein hoffentlich sehr gutes Fischessen. Und darauf morgen Abend in Kolkata zu landen und zum Fairlawn zu fahren, auch wenn Mrs. Violett leider kürzlich verstorben ist.

Christmas at Casino Hotel Cochin


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