04.12. 2014
In der vergangenen Nacht haben wir 10 Stunden geschlafen, und das trotz
eines faulen Tages. Wärme und Luftfeuchtigkeit strengen uns an und die
überwältigenden Eindrücke der letzten zweieinhalb Wochen müssen noch
verarbeitet werden. Als wir gerade zum Frühstück aufbrechen wollten sah
ich wieder unsere Wasserschlange vorbeischwimmen. Dagegen würde ich
jeden Pool und jedes Buffet eintauschen, so viel Freude habe ich an dem
Anblick.
Mit dem 11Uhr-Boot verließen wir Coconut Lagoon und wurden am
Anlegeplatz bereits von Biju und Mr. Johny erwartet. Beide werden sich
heute von uns verabschieden, so dass wir gestern noch die
Trinkgeld-Umschläge gefüllt haben, nicht ohne vorher wieder einmal
tagelang darüber zu grübeln, wie am besten der Spagat zwischen Protz
und Beleidigung zu schaffen sei. Das Thema ist immer wieder lästig und
eine zufriedenstellende Antwort wird es wohl nie geben. Die heutige
Fahrt war sehr kurz und wir stoppten noch an einer Kooperative, in der
Frauen aus Kokosfasern Seile herstellen. Kerala wird seit langem von
der kommunistischen Partei regiert und diese Form der
Wirtschaftsunternehmung ist nicht unüblich. Die Spinnräder in dem
kleine Betrieb wurde gerade vom manuellen Antrieb mit einer Art
ortsfestem Fahrrad auf Elektromotoren umgestellt, die rote Fahne
marschiert also in eine bessere Zukunft. Allerdings sind wir immer noch
in Indien und es herrschte gerade mal wieder Stromausfall. An Arbeiten
war also nicht zu denken, so dass sich die fröhlichen Genossinnen Zeit
nehmen konnten, uns die Herstellung der Kokosseile zu erläutern und
Ratris Schmuck zu bewundern. Das Spinnen ist durchaus interessant, aus
einer Vielzahl von Fasern wird in Windeseile eine Schnur, die dann mit
ihresgleichen verdrillt zu einem Seil verarbeitet wird, das schließlich
ausreichend stark ist, um die mächtigen Hausboote am Anleger zu
befestigen.
Nach einem weiteren Stopp an einem Kokosnuss-Stand erreichten wir das
kleine Fischerdorf Mararikulam, an dessen feinen Sandstränden das
Ressort "Marari Beach" liegt. Die großzügige Anlage bietet über 60
kleine Häuschen und auch sonst allen erdenklichen Komfort, inklusive
großem Pool und Badestrand an der arabischen See. Wir sind also
endgültig im klassischen Club-Urlaub angekommen, mit Club-Sandwich für
10€ und Cocktail zum Sonnenuntergang am Meer. Zwei Herzen schlagen hier
in meiner Brust. Zum einen freuen wir uns auf zwei Tage Ausspannen,
Spaziergänge am Meer und ja, auch den Cocktail zum Sonnenuntergang. Zum
anderen bin ich aber auch irgendwie froh, dass dieser Aufenthalt nicht
unser Abschied von Indien sein wird, sondern noch einige Tage in "Crazy
Kolkata" auf uns warten.
Ich habe in den letzten Wochen einige Male von der wirklichen Welt
als Abgrenzung zu unseren Luxus-Quartieren geschrieben. Genauer betrachtet ist
das natürlich Unsinn, denn das Paar auf der Hochzeitsreise, der Arzt
mit eigenem Krankenhaus, die Familie aus Mumbai und die
IT-Schwergewichte in Begaluru sind nicht weniger wirklich als die
vielen Händler an den Straßen, die Menschen in den einfachen
Unterkünften an den Feldern, die Priester in den Tempeln oder auch
Ratris Familie in Kolkata. Sie alle sind die Gesichter Indiens,
manche in nackten Zahlen ausgedrückt weniger repräsentativ als andere,
aber sie alle sind Teil der indischen Gesellschaft im Jahr 2014. Man muss sie allerdings alle
wahrnehmen und sich vor nichts und niemandem verschließen. Und deshalb
freue ich mich auf beides, das Ausspannen in Marari Beach und auf
Kolkata.