21.11. 2014

Die östliche Philosophie, die sich bei uns derzeit regen Zulaufs erfreut, ohne das die westliche gelesen, geschweige denn verstanden wurde, vermag angeblich für uns unlösbare Widersprüche aufzuheben und nebeneinander existieren zu lassen. Dazu gehören möglicherweise auch die Theorie und Praxis des heutigen Tages. Die Theorie: Abfahrt nach Reiseplan um 9:30Uhr, Ankunft nach meinem Kopf deutlich vor dem Sonnenuntergang am Pool. Die Praxis: Wir fuhren vorsichtshalber um 8:30Uhr los und trafen gegen 20Uhr, also zwei Stunden nach Sonnenuntergang in Coorg ein. Teil dieses Widerspruchs waren aber wir selbst, da unsere Neugierde und Begeisterung unseren heutigen Führer Ram zu immer neuen Details und Geschichten inspirierte. Aber der Reihe nach.

Auf unserer Fahrt nach Belur sahen wir die vielfältige Landwirtschaft der Gegend: Hirse, Zuckerrohr, Mais, Chili, Reis, Betelnuss, Soja, Kokospalmen, Sandelholz, Teak, Mohn und Ingwer. Die Häuser vermitteln einen gewissen Wohlstand und sehen gepflegt aus, insgesamt eine fruchtbare und durch das viele Grün auch sehr sehenswerte Gegend. Die heutigen Besichtigungen führten uns dann in die Zeit der Hoysala, also gegenüber Hampi 400 Jahre weiter in die Vergangenheit ins 12. Jahrhundert.

In Belur sahen wir uns den Chennakeshava Tempelkomplex an, einen in der für die Hoysala typischen Sternform gebauten Vishnu-Tempel, der noch als solcher "benutzt" wird. Die Reliefe an Wänden und über 40 Säulen sind wirklich unglaublich, viele Szenen aus der Mahabarata sind dort dargestellt, außerdem die Tänze der Shantaladevi, der Königin und Frau des Herrschers Vishnuvardhana.

Zweite Station des Tages war dann Helebid mit dem Shiva-Tempel Hoysaleshvara, der allerdings nie komplett fertig gestellt werden konnte und heute auch nicht mehr als Tempel benutzt wird. Hier waren über 100 Säulen zu bestaunen, die außer Shiva-Darstellungen ebenfalls viele Kapitel des Mahabarata-Epos zeigen. Ram erklärte uns zahllose Details und erzählte viele Geschichten, ein sehr sachkundiger Führer, dessen Passion und Hingabe spürbar war und uns sehr gefreut hat. Für Ratri bekamen am heutigen Tag viele der Geschichten ein "Gesicht", ein wunderbares Erlebnis.

Nach einem ausgiebigen Essen wollten wir dann zügig unser Ziel in Coorg erreichen, um den Tag ausklingen zu lassen. Die Route, die Mr. Johny fuhr, war sicherlich doppelt so lang wie die, die wir aufgrund der Landkarte gewählt hätten. Warum er das tat wissen wir nicht, vermutlich aufgrund der Straßenzustände, es wird einen guten Grund gehabt haben, das ist klar. Und selbst diese Route war alles andere als überzeugend, vor allem das Grand Finale auf das Coorg-Plateau in den Western Ghats. Ich versuche es mal mit westlichen Weisheiten und Tucholsky, der geschrieben hat: "Ein Loch ist da, wo etwas nicht ist. Das Loch ist ein ewiger Kompagnon des Nicht-Lochs: Loch allein kommt nicht vor, so leid es mir tut."
"Nicht-Loch" bedeutete im heutigen Fall "Straße".

Gegen 20Uhr erreichten wir das Orange County Ressort in Coorg und begannen zu staunen. Doch davon morgen mehr, denn wir werden drei Nächte hier verbringen.


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