Eintrag vom 28.11. 2012

Das Essen mit Goshs am gestrigen Abend war sehr nett und lecker, schließlich waren wir ja auch in einem von Chitras Restaurants, dem China Bowl nahe Golpark. Natürlich gab es mit dem Taxi wieder Stress, der Fahrer verlangte aufgrund einer angeblichen Sperrung und eines deswegen nötigen Umwegs plötzlich mehr, was die Fahrt etwas lauter aber immerhin nahe am Ziel beendete. Zum Vergleich: 8 Stunden schickes Auto mit Klimaanlage und sinnvollem, ortskundigen Fahrer (s.u.) kostet 2000 Rupies (~30€), 30min klappriges Taxi mit Chaot soll dann 200 Rupies kosten. Passt nicht. Der Taxameterpreis berechnet sich übrigens aktuell wie folgt: Angezeigte Zahl mal zwei plus 20% + 1 IRP. Muss man wissen.

Ebenfalls wissen muss man, wie das "dynamische Einbahnstraßensystem" funktioniert. Einige Straßen ändern die Fahrtrichtung, und zwar 7Uhr bis 13Uhr Einbahnstraße in Richtung Innenstadt, 13Uhr bis 22Uhr Einbahnstraße in die andere Richtung, von 22Uhr bis 7Uhr macht jeder was er will (den Eindruck hat man allerdings immer). Die Regel gilt nicht für Polizisten auf roten Enfield Bullets.

Heute hatten wir dann eine wunderbar entspannte Stadtrundfahrt mit einem gemieteten Auto. Der junge Fahrer sprach ein mehr als passables Englisch und konnte auch einiges erzählen. Englisch hat er sich durch seinen Fahrerjob in den letzten sieben Jahren selbst angeeignet, in der Schule hatte er keinen Kurs. Ab und zu trifft man eben mal einen "white Tiger", einen, der es schaffen wird, und in 10 Jahren Topfahrer ist oder sogar Tourguide. Momentan beträgt sein Lohn als Touristenfahrer mit guten Stadt- und Englischkenntnissen übrigens 145 Rupies pro Tag, für die Miete seiner kleinen Wohnung zahlt er 1200 Rupies. Für die 145 Rupies bekommt er im Flury's (Traditionscafé aus den 20ern neben Music World gegenüber vom Oxford Bookstore, nehmen wir gerne für eine Mittagsmahlzeit) noch nicht mal eine Flasche gutes Himalaya-Wasser. Weitere Preisbeispiele? Defekten Reisverschluss im Fairlawn austauschen lassen 25 Rupies, eine neue Enfield Bullet Thunderbird 160433 Rupies Ex-Showroom Kolkata. Der Punkt für die 1000er Trennung wird übrigens hier anders gesetzt: 1.60.433 IRP. Man verließt sich bei großen Zahlen daher dauernd, Inder verwenden dafür dann ohnehin die Größe "Lakh", das sind 100.000. Die Enfield kostet dann also 1.6 Lak. Muss man eben wissen.

Zurück zur Stadtrundfahrt. Pünktlich um 10Uhr standen wir vor dem wunderbaren Marble-Palace, natürlich mit Vorsatz ohne permit der Tourismusbehörde, was sich durch eine kleine Zuwendung reparieren lässt. Während wir uns den großzügigen Garten und Zoo (die Anlage, nicht die Käfige) ansahen sprach uns eine Dame in einem akzentfreien Englisch an. Während der netten Unterhaltung stellte sich dann heraus, dass sie eine Bewohnerin, also Familienangehörige des Babu-Clans ist, der dieses Juwel einst in unermesslicher Pracht erbaute. Der Palast versetzt einen immer wieder in Staunen, wenn auch der Verfall heftig an allen Ecken und Enden nagt. Auf unsere Frage nach einem WC wurden wir dann in einen Privatraum geführt und trafen im "Fitnessraum" wieder auf unsere geldadelige Bekannte. Es folgte noch ein intensiver Austausch über Haarpflege, der Tipp alle Schlepper am New Market bei der Polizei anzuzeigen (wie groß ist wohl Kolkatas Gefängnis?) und schließlich wurde mir vorgeschlagen statt des Bengalischen Kolkata doch lieber Calcutta zu sagen, das klänge doch viel Englischer. Nun ja.

Teil zwei der Rundfahrt sollte das Tagore-Haus sein, leider war es wegen eines Festes (mal wieder) geschlossen. Andere Besuchswillige riefen darauf hin die Polizei, da die Schließung nicht ordnungsgemäß in der Zeitung veröffentlicht worden sei. Kraftprobe unter Einheimischen, nichts für uns. Der Umzug zum Jain-Fest startete dann prompt und etliche Marching-Bands und karnevalsähnliche Wagen, natürlich mit religiösen Motiven,  zogen an uns vorbei. Die Freude über den glücklichen Zufall wich einer gewissen Ernüchterung als wir realisierten, dass der Umzug wie alles in Kolkata riesengroß, also lang ist, und dass unser Auto sich bis zum Ende nicht bewegen können wird. Zum Glück konnte unser Fahrer Babu mit einem Polizisten eine Flucht aushandeln.

Teil drei war dann der South Park Street Cemetery, ein alter englischer Friedhof aus dem 18. JH. Ein magischer Ort, riesige Gruften, Obelisken und Pyramiden, versteckt unter Bäumen, dazu relative Ruhe und viel historisches Flair. Kaum einer, der hier liegt, wurde älter als 30, die meisten 20-25. Dienst in der East India Company war kein Zuckerschlecken, auch für Höhergestellte nicht.

Nach einem guten Mittagessen fuhren wir noch zu einer Filiale von Fabindia, die Textilien aus ökologisch erzeugten Materialien verkaufen, die unter fairen Bedingungen gefertigt (gewebt und genäht) werden. Die aktuellen Meldungen aus Bangladesh lassen eigentlich kein anderes Einkaufsverhalten mehr zu. Bei 145 Rupies am Tag Einkommen bleibt der Laden allerdings ein ferner Traum.

Babu hat uns schließlich noch zur Ganges River Bank gefahren, einer wunderschönen, frisch renovierten Flaniermeile am großen Strom. Hier gibt es nach Empfehlung unsere Fahrers auch ausgezeichnetes Jhal Muri (Mischung aus Puffreis, Chili, Zwiebeln, Nüssen, Erbsen, Gewürzen und Senföl), das Ratri gerade im tropical garden des Fairlawn knabbert. Unser "white Tiger" hat sich sein Trinkgeld redlich verdient!

White Tiger

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