Reisebericht Algerien (Martin)



Wie war's?
Tja, pauschal schwer zu beantworten. Es war schön, wunderbar, klasse, beeindruckend aber auch anstrengend und teilweise nicht so toll. Auf jeden Fall würden wir sofort wieder losfahren, nachdem wir uns ausgeruht haben, aber auch einiges anders machen.


Route
Wir sind die Route fast so gefahren, wie geplant, d.h.:
Asphalt Tunis, Tozeur, El-Oued, Hassi Messaoud, Hassi Bel Guebbour, Bordj Omar Driss. Mit dem Problem, dass die Strasse von HBG nach BOD angeblich für Ausländer gesperrt war, und wir mühsam über das Tinrhert-Plateau gestolpert sind, um dann an einem 200m tiefen Abbruch zu stehen, wo mal die Piste auf Serpentinen verlief. Auf Piste dann den Khanfoussa-Durchstieg, am Brunnen Hadjaj auf die Gräberpiste und bis Illizi (um mit Göttler zu sprechen 19a auf 19). Auf Asphalt durch das Tassili bis Bordj El Haoues (Fort Gardel), dann die Djanet-Tam-Querung über Serouenout und Ideles. Bis dahin hatten wir zwei Tage verloren, einen durch die Straßensperrung und einen, weil wir in Tunis noch eine Diebstahlmeldung machen mussten, da wir schlafend im Zelt beklaut worden waren (Leichtsinn und Verkettung blöder Umstände). Da wir trotz (für uns recht hohem) Tempo und frühem Start/spätem Ende der Tagesetappen keine Zeit gegenüber dem Plan gutmachen konnten (Pisten in sehr schlechtem Zustand), haben wir dann abgekürzt. Es ging nicht wie geplant östlich des Hoggar nach Süden weiter, sondern über Hirhafok nach Westen und von dort die Straße nach Tamanrasset herunter. Weitere Auswirkung des täglich 8stündigen Fahrens war leider, dass Ratris Handgelenke nicht mehr mitgemacht und sich schmerzend verabschiedet haben, so dass wir das Mopped an die Reserveräder des MAN gezurrt haben, und sie von da ab im Auto/LWK unterwegs war.

Ab Tamanrasset dann die östliche Auffahrt auf den Assekrem, die Autos und zwei Moppeds dort wieder runter, vier Moppeds die westliche Abfahrt. Der MAN hat sich das Gerumpel erspart, drei weitere Moppedfahrer, darunter ich, auch. Man hat von der Landschaft definitiv mehr, wenn man nicht nur auf die Piste glotzt...

Die lange Rückfahrt ging über In Amguel und In Ecker, dann die Piste über Amguid bis BOD und ab dort so zurück, wie wir gekommen sind.


Landschaft
Genial, vor allem, weil durch die Regenfälle im Herbst die Sahara grün ist, überall ein Flaum auf den Dünen und der Hoggar blüht rot. Auf der Gräberpiste Ruccola so weit das Auge reicht, ich hatte fast den Eindruck gleich fahre ich über ein Krokodil. Dünen und Gebirge sind aber auch schon "kahl" über jeden Zweifel erhaben!!

Besonders beeindruckend die Fatahmorganas und sonstige optische Merkwürdigkeiten, wie zum Beispiel die Tatsache, dass man soeben losgefahrene Moppeds schon nach 3 Minuten nicht mehr sieht, obwohl die Ebene glatt zu sein scheint, und man denkt bis zum Horizont sehen zu können.


Menschen
Die Einheimischen freundlich, die Polizeiposten manchmal etwas sehr auf "Souvenirs" aus. Immer wieder gut der diensthabende Kommandante in Trainingsanzug, Badeschlappen und supercooler Sonnenbrille. Insgesamt absolut problemlos und sehr zu empfehlen, auch wenn Kontakt, außer geschäftlich, nicht zustande kam. Ausnahme die steinewerfenden Kinder, siehe "Negativ".

Andere Touristen gab es in jeder Schattierung, kauzige und sympathische Ingolstädter, die zum x-ten Mal mit ihrem Käfer Baujahr '61 durch die Sahara fahren, Schweizer auf dem Weg nach oder kommend von Kapstadt, Deutsche auf dem Weg nach Ghana, ein Japaner auf fünfjähriger Weltreise, eine arrogante Moppedtruppe aus München und schliesslich ein Reiseveranstalter aus Rosenheim mit einer Gruppe jenseits von Gut und Böse (fahren weg wenn wir uns nähern, um zu fragen, ob sie eine Panne haben und fahren filmend vorbei, wenn wir eine Panne haben, natürlich ohne anzuhalten).


Fahrerisch
Schon anstrengend, gerade für uns als Geländeneulinge. Aber nichts Unmögliches, nur etwas weniger Tempo und mehr Pausen hätte ich mir gewünscht. Manchmal war es so, dass, als die Langsamsten endlich am Sammelpunkt eintrafen, die anderen die Motoren wieder starteten und für die Nachzügler kaum Zeit zum Trinken war. Als sehr unangenehm empfand ich das Fahren mit der Sonne im Rücken, also auf dem Rückweg nach Nordosten. Der Untergrund verschwimmt zu einem riesigen Nichts und man sieht die Bodenwellen und Gräben nicht mehr. Insgesamt hat es aber nach einiger Übung richtig Spaß gemacht, ohne dass ich aber leichtsinnig geworden wäre. Hätten wir eine gemütlichere Gangart eingeschlagen hätte ganz sicher auch Ratri die Tour auf zwei Rädern beendet. Insgesamt sind wir eben mehr Tourenfahrer oder Motorradtouristen oder einfach Motorrad-Abenteurer als sportlich interessierte Enduristen.


Pannen und Unfälle
Unfälle in dem Sinne glücklicherweise keine. Wir hatten ca. 4-5 etwas heftigere Abflüge vom Mopped, die auch leicht zu einer Verletzung hätten führen können, der Rest waren ganz normale Umfaller und Wegrutscher. Ich selbst lag ungefähr sechs mal, und zwar immer in tiefsandigen, verspurten Stücken. Das habe ich auch bis zum Ende nicht gelernt. Ein Patrol ist in Tam gegen einen abbiegenden Lastwagen gefahren und hatte ein verbeultes Maul, das die örtliche Werkstatt aber super wieder hinbekommen hat.

Pannen gab es einige, erstaunlicherweise bei den Moppeds keine ernsteren (4 Platte, zwei Kupplungszüge, ein Ritzel zermahlen, verlorene Plastikteile, lose Kabelverbindungen etc.). Ein Patrol brauchte in Tozeur (Rückfahrt) eine neue Kupplung. Der andere hatte durch eine abgerissene Bremsleitung einen Kreislauf verloren und bremste nach Umbau nur noch vorne, außerdem war ein Stoßdämpfer abgerissen, der bei den Schweißarbeiten leider anfing zu brennen, aber weiterhin tadellos Stöße dämpfte. Am meisten musste der MAN einstecken, vor allem der Koffer. Zum Schluss hielt ihn ein Stück Stahlseil von der Winde und ein Wagenheber mit 20t Kraft im Lot. Weiterhin haben sich die Silentblöcke vom Motor aufgelöst und das ganze Teil saß 2,5cm tiefer, wodurch sich der Lüfter nicht mehr drehen konnte und das Aggregat überhitzte. Klaus McGyver und die fleißigen Helfer haben dann mitten auf der Amguid-Piste den Motor mit zwei Bergegurten und den Nissans wieder angehoben, aus jeweils zwei Dämpfern der Blattfedern Ersatzteile geschnitzt und den Quatsch eingebaut. Lief wieder tadellos.


Wetter
Außer in Tunis (Hin- und Rückfahrt) kein Regen, außer einmal ein paar Tropfen. Temperaturen tags 15-20°C, nachts kalt, zum Schluss bis –5°C. Unsere Doppelschlafsäcke haben aber prima gehalten, wir haben die ganzen vier Wochen draußen unter dem Sternenhimmel geschlafen.


Wasser
Natürlich knapp aber nicht zu knapp. Duschen einmal pro Woche bringt einen nicht um, um zu trinken, sich sauber zu halten, zu kochen und abzuspülen war jederzeit genug da. Einmal gab es sogar ein Wüsten-Duschen im Zelt, da wir etwas Wasser (=Gewicht) loswerden wollten, ehe es in den Sand ging!


Essen und Trinken
Morgens Müsli, dazu Kaffee oder Tee. Mittags Schwarzbrot aus der Dose (Bundeswehrbestände, Baujahr 1987) mit Dosenwurst (Jagdwurst, Leberwurst, Frühstücksfleisch). Abends gemeinsam kochen, von Eintopf über Couscous bis Rindfleisch mit Rotkohl und Knödeln. Gut! Zu trinken den ganzen Tag "Plörre", Wasser mit Getränkepulver der Geschmacksrichtungen Zitrone, Orange oder Himbeere. Wichtig ist die Zubereitung durch den einzig zertifizierten "Plörre-Man"! Alkoholische Getränke fehlen einem weniger als gedacht, eigentlich gar nicht. Selbst als es nach 3,5 Wochen in Tozeur wieder Bier gab haben wir zwar eins getrunken, am nächsten Tag aber schon nicht mehr.


Tiere
Skorpione, Hornvipern, Kobras, Löwen – alles! Alles im Sahara-Zoo von Tozeur. In freier Wildbahn Kamele, Ziegen, eine Gottesanbeterin, das war's. Und Spuren im Sand, wenn man morgens aufgewacht ist und sich fragen musste, wer einen da im Schlaf beschnuppert hat.


Negativ
Beklaut im Hafen von Tunis auf Hin- und Rückfahrt. Auf der Rückfahrt das Auto aufgemacht und teilweise ausgeräumt, obwohl wir daneben und drunter lagen und schliefen. Daher in der zweiten Nacht Nachtwache (drigend zu empfehlen!!!).
Zwischen Grenze und Touggourt sowie in Amguid steinewerfende Kinder, laut Auskunft anderer Touristen so heftig wie noch nie. Meistens konnten wir durch langsame Fahrt und "anhalten und auf die Kinder zeigen, die einen Stein aufgehoben hatten", die Würfe verhindern. In der Dämmerung allerdings oder wenn man zu schnell unterwegs ist, hört der Spaß auf, da fliegen handgroße Wacker gezielt in die Windschutzscheibe und auf die Moppedfahrer. Das Schlimme ist, die Erwachsenen stehen manchmal daneben und sagen nichts.
ABER: actio = reactio. Jeder Tourist sollte sich fragen, was vielleicht gerade an seinem Auftreten bewirkt haben könnte, das so etwas passiert! Rücksichtsloses fahren, unkontrolliertes Verstreuen von Geschenken oder einfach nur arrogantes Auftreten können dazu führen, dass sich viel Wut aufstaut. Die Kinder von Amguid fragten zum Beispiel nach Geschenken, schüttelte man den Kopf, flogen Steine. D.h. diese Form der modernen Wegezollerpressung ist hausgemacht.


Das schönste an der Reise und das Nachher
Ich habe im Tagebuch vier Rubriken geführt:
"was ich vermissen werde", "was ich nicht vermissen werde", "auf was ich mich zuhause freue" und "auf was ich mich bestimmt nicht freue".

Zu den Dingen, die ich vermissen werde, gehört ganz sicher das draußen leben, das schlafen unter freiem Himmel, der Sternenhimmel und das Leben im Rhythmus der Natur, d.h. aufwachen mit der Dämmerung und schlafen gehen nach Dunkelheit. So war die erste Nacht im eigenen Bett, frisch geduscht, dann auch nicht so toll, wie gedacht. Ganz im Gegenteil, ich bin aufgewacht, habe an die Zimmerdecke gesehen und dachte "Mist, bewölkt, hoffentlich regnet es nicht."

Vieles sehe ich jetzt auch mit anderen Augen (wahrscheinlich vorübergehend). Am zweiten Tag nach unserer Rückkehr wollte ich mir einen gemütlichen Abend machen, hatte den Kühlschrank voll, eine Ente vom Grillwagen, 32 Kabelprogramme, diverse Zeitschriften, den Rechner – und bin um 20Uhr schlafen gegangen, weil mich dieser overkill von Möglichkeiten einfach völlig überfordert hat. Bei vielen Dingen habe ich plötzlich so ein Gefühl von "das braucht man nicht".

Und Hunger habe ich, Hunger auf Reisen. Im Kopf so viele Pläne und Ideen. Und ich weiß jetzt, das Reisen in Europa, ganz gleich wohin, auch zu zweit kein wirkliches Problem sind, da es so gut wie alles einfach überall gibt!



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